Jeder nur ein Plakat, bitte!
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 08.09.2017

Jeder nur ein Plakat, bitte!

Wahlkampf ist nur vordergründig ein Dickicht aus Dreiecksständern und TV-Diskussionen. Leider.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

PASSGENAU. Zeitlich und atmosphärisch passt es gut in die wahlkampfgequälte heimische Schlagzeilenlandschaft: Das Gemunkel rund um die Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen nimmt konkretere Formen an. Facebook hat dem Vernehmen nach 500 mutmaßlich russische Konten gesperrt. Sie sollen im US-Wahlkampf für 100.000 USD „polarisierende Anzeigen” platziert haben. „Polarisierend” heißt in dem Zusammenhang, dass Inhalte rund um heikle Themen wie Rassismus, Einwanderung, Waffenbesitz u.Ä. platziert wurden.

Die Strategie, mit ausgesucht tendenziösen Inhalten Stimmung zu machen, ist nicht neu und nicht verwerflich. Im Grunde genommen handelt es sich um eine klassische Kernaufgabe des Lobbyings: Themen platzieren, Aufmerksamkeit und Interesse daran wecken und auf diesem gut gepflügten Feld letztendlich Entscheidungsprozesse beeinflussen. Seriös betrieben, sind diese Maßnahmen meist transparent genug, dass der Beobachter einschätzen kann, woher der Wind weht. In der schon vor gut zehn Jahren vollzogenen Mutation in Richtung des Microtargetings im Web beginnt sich die Transparenz allerdings abrupt einzutrüben. Durch kluge Analyse von ‚Big Data' werden die Empfänger der Botschaften in möglichst kleine Segmente sortiert, um diese dann mit individualisierten Inhalten anzusprechen. Das Material ist vorhanden, feilen wir doch tagtäglich selbst an der Vervollständigung unserer digital-sozialen Profile. Voilà: die maßgeschneiderte Message zur Wahl. Diese mag überspitzt formuliert sein, sie mag aus Korrelationen Kausalitäten konstruieren, sie ist vielleicht schlicht falsch. Und: Sie bleibt in den passenden Zirkeln und Echokammern – unbemerkt von der Öffentlichkeit, unbemerkt von potenziell kritischen Medien, die manchmal die Welt nicht mehr verstehen. Weil sie diese speziellen Welten, sofern sie nicht zufällig dem eigenen Biotop entsprechen, gar nicht mehr betreten können. Fazit: Es geht nicht nur um die Financiers dieser Kam­pagnen. Es geht um dieses Instrument per se, worüber man sich den Kopf zerbrechen sollte.

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