WIEN/BRÜSSEL. Bereits im April 2021 hatte die EU-Kommission erstmals einen Rechtsrahmen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz vorgeschlagen. Die Verhandlungen zogen sich aber in die Länge, doch nun ist es so weit: Die Europäische Union bekommt ein Regelwerk für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Damit setzt sich die EU weltweit an die Spitze der KI-Regulierung – die meisten anderen Staaten haben bisher vor allem Verordnungen und Dekrete erlassen.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gab Freitag vergangener Woche nach langwierigen Verhandlungen zwischen den Unterhändlern der Mitgliedsstaaten und des Europaparlaments eine politische Vereinbarung für den neuen Rechtsrahmen bekannt.
Der Kommissar selbst nannte die Vereinbarung „historisch” und meinte via Kurznachrichtendienst X: „Die EU wird der allererste Kontinent, der klare Regeln für die Nutzung von KI setzt.”
Angst vor strengen Auflagen
Die großen Mitgliedsländer Deutschland, Frankreich und Italien hatten zuletzt vor scharfen Auflagen gewarnt, um die Entwicklung der Zukunftstechnologie nicht zu gefährden. Der deutsche Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing appellierte an die EU, international abgestimmt vorzugehen und „keinen Alleingang” zu wagen. So gibt es Befürchtungen, Start-up-Unternehmen wie Aleph Alpha aus Deutschland und Mistral AI in Frankreich könnten in ihrer Entwicklung behindert werden.
Boost durch ChatGPT
Das Thema Künstliche Intelligenz hatte vor rund einem Jahr durch die Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT durch das US-Unternehmen OpenAI an Prominenz gewonnen. ChatGPT machte die Möglichkeiten der KI damit schlagartig einem großen Publikum bewusst. Zugleich wuchsen die Befürchtungen über mögliche Gefahren der Technologie.
Der größte Knackpunkt bei den Gesprächen war der Streit um biometrische Überwachung. Der Gesetzesentwurf des Parlaments verbietet KI-Anwendungen wie eine automatisierte Gesichtserkennung; Kritiker sehen in dieser automatischen Identifizierung eine massive Verletzung der Bürgerrechte.
Auf der anderen Seite wollten die EU-Staaten Ausnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Verteidigung und für andere militärische Zwecke durchsetzen.
Die Einigung sieht nun Beschränkungen für die Nutzung biometrischer Identifizierungssysteme durch die Strafverfolgungsbehörden vor, die genauen Einzelheiten sollen zeitnah ausgearbeitet werden.
Schutz vor Manipulation
Die Vereinbarung sieht auch Verbote zur Manipulation oder Ausnutzung von Schwächen der Nutzer durch KI vor. Verbraucher sollen das Recht bekommen, Beschwerden einzureichen und angemessene Antworten zu erhalten. Die Geldstrafen für Verstöße sollen zwischen 7,5 Mio. und 35 Mio. € liegen.
Wirtschaft übt Kritik
Aus der Wirtschaft kam aber auch Kritik an den EU-Vorgaben. Sie seien eine weitere Belastung für die Unternehmen, erklärte der Branchenverband DigitalEurope. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie bemängelte, das Ziel, durch den „AI Act” einen sicheren und vertrauensbildenden Rechtsrahmen auf Basis eines risikobasierten Ansatzes zu wählen, sei teilweise verfehlt worden. (red)