Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
STORYTELLING. Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihre Vorschläge „zur Stärkung, zum Schutz und zur Förderung starker und widerstandsfähiger Demokratien“ vorgestellt – ein „European Democracy Shield“ soll vor Desinformation und fremder Einflussnahme schützen. Bausteine des Schutzschilds sind unter anderem ein Europäisches Zentrum für demokratische Resilienz, ein unabhängiges EU-Netzwerk für Faktenchecker und ein Krisenprotokoll für digitale Plattformen.
Spät, aber doch. Schließlich werden, so der Eindruck, Wahlen in Europa seit geraumer Zeit weniger von wahlberechtigten Bürgern als von russischen Trollcamps entschieden. Deutschland etwa deckte Anfang 2024 eine prorussische Kampagne auf X auf. Über eine Mio. Posts wurden über rund 50.000 Fake-Accounts innerhalb eines Monats generiert, mit dem Ziel, das Vertrauen in die regierende Koalition – und die Unterstützung für die Ukraine – zu untergraben. Oder, Sie erinnern sich sicherlich noch: „We send the EU £350 million a week – let’s fund our NHS instead“. Diese Zahl stand auf dem berühmten roten Brexit-Bus. Alles daran war nachweislich falsch – die Höhe der Zahlungen ebenso wie die versprochene Einzahlung ins britische Gesundheitssystem. Zehntausende automatisierte Brexit-Tweets poppten dazu, großzügig flankiert von Cambridge Analytica und diversen Botnetzwerken, kurz vor dem Referendum auf. Das attraktiv klingende Narrativ wurde millionenfach geteilt und visuell zum Symbol der Leave-Kampagne.
Der Fall Brexit wurde zum Weckruf für Demokratieschutz in der EU und führte zum „EU Action Plan against Disinformation“ und zum Aufbau des „European Digital Media Observatory“. Gebracht hat es bis dato wenig. Auch der Digital Services Act enthielte bereits einige einschlägige Verpflichtungen.
Ein „Shield“ ist eine defensive Maßnahme. Vielleicht sollte sich Europa endlich aufrichten, das eigene Regelwerk ernst nehmen – und Verstöße konsequent sanktionieren. Deal?
