WIEN. Der Debütpreis ging an Angela Lehner für den Titel "Vater unser". Die Verleihung fand zum Auftakt der Buch Wien-Woche vor rund 300 geladenen Gästen im Wiener Kasino am Schwarzenbergplatz statt. Durch den Abend führten Dorothee Hartinger und Philipp Hauß.
Österreichischer Buchpreis 2019: Norbert Gstrein - Als ich jung war (Carl Hanser Verlag)
Begründung der Jury: "Norbert Gstreins Roman erinnert an das Gedicht "Zwielicht" von Joseph von Eichendorff: Die Dämmerung bricht an, etwas Numinoses legt sich über das Land. Selbst dem Freund ist nicht zu trauen in dieser Stunde der verlorenen Sicherheiten. Norbert Gstrein ist ein Meister des "zwielichtigen" Erzählens. Protagonist seines Romans ist ein Wirtssohn, der einige Jahre als Schilehrer in den USA gearbeitet hat, um dann nach Österreich zurückzukehren. Franz erzählt uns seine Geschichte, aber je mehr Details er vorbringt, umso unsicherer wird der Leser. Eine Braut ist gestorben - aber wie? Ein Mädchen wurde vergewaltigt - vielleicht. Ein anderes Mädchen ist verschwunden - wohin? Norbert Gstrein setzt Zeichen um Zeichen. Man folgt seinem Konstrukt und seinem bewundernswert klaren Satzbau mit Spannung, aber im Gegensatz zum Detektivroman gibt es hier kein Superhirn, das die Zeichen eindeutig interpretieren könnte. Am Ende hält der Leser viele Fäden in der Hand. Ob einer davon der rote ist - wer weiß?"
Für die Shortlist nominiert waren außerdem: Raphaela Edelbauer: Das flüssige Land (Klett-Cotta), Karl-Markus Gauß: Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer (Zsolnay), Sophie Reyer: Mutter brennt (edition keiper) und Clemens J. Setz: Der Trost runder Dinge (Suhrkamp).
Der Österreichische Buchpreis ist mit 20.000 Euro dotiert, die vier weiteren Titel der Shortlist mit jeweils 2.500 Euro.
Österreichischer Buchpreis 2019 - Debüt: Angela Lehner - Vater unser (Hanser Berlin)
Begründung der Jury: "In Angela Lehners Roman "Vater unser" erzählt Eva Gruber von ihrer Einlieferung in die psychiatrische Anstalt, ihrem magersüchtigen Bruder, den sie dort findet und retten möchte, und ihrem Vater, den sie zusammen mit dem Bruder töten will. An das Gebot "Du sollst nicht lügen", das es, wie sie feststellt, gar nicht gibt, hält sie sich überhaupt nicht: Hat sie nun die Kindergartenkinder erschossen, wie sie behauptet? Wurden sie und ihr Bruder vom Vater missbraucht und von der Mutter allein gelassen? Begeht der Chefpsychiater, der sie behandelt, wirklich Selbstmord? Unzuverlässig ist sie, die Erzählerin, respektlos und verletzlich zugleich, und sie kehrt damit nicht nur die Welten der Irren und der Normalen um, sondern stellt auch sämtliche, zumeist männliche Autoritäten und deren Ordnungen in Frage. Angela Lehners fulminanter Debütroman, unsentimental, frech und direkt erzählt, ist Familiengeschichte, Krankenhausreport und Krimi in einem - und zugleich ein kritischer Befund eines katholisch geprägten Österreich, in dem auf den Hausaltären neben dem Rosenkranz das gerahmte Porträtfoto von Jörg Haider liegt."
Für die Shortlist-Debüt nominiert waren außerdem: Marko Dinić: Die guten Tage (Zsolnay) und Tanja Raich: Jesolo (Blessing).
Der Debütpreis im Rahmen des Österreichischen Buchpreises ist mit 10.000 Euro dotiert, die zwei weiteren Titel der Shortlist mit jeweils 2.500 Euro. Der Debütpreis wird von der Arbeiterkammer Wien gestiftet.
Die Jury
Die Jury 2019 setzt sich aus Pia Janke (Germanistin), Robert Renk (Buchhändler, Wagner`sche Universitätsbuchhandlung), Christian Schacherreiter (Literaturkritiker), Anne-Catherine Simon (Journalistin, Die Presse) und Uwe Wittstock (Literaturkritiker) zusammen.
Über den Österreichischen Buchpreis
Ziel des Österreichischen Buchpreises ist es, die Qualität und Eigenständigkeit der österreichischen Literatur zu würdigen und ihr im gesamten deutschsprachigen Raum die gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Österreichische Buchpreis wird vom Bundeskanzleramt der Republik Österreich, dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels und der Arbeiterkammer Wien 2019 zum vierten Mal ausgerichtet. Die Veranstaltung ist Startschuss des einwöchigen Literaturfestivals Buch Wien.
Die Gewinner der Vorjahre
Buchpreis: Daniel Wisser (2018), Eva Menasse (2017), Friederike Mayröcker (2016)
Debütpreis: Marie Gamillscheg (2018), Nava Ebrahimi (2017), Friederike Gösweiner (2016)
Termine
Die Gewinner Norbert Gstrein und Angela Lehner werden am Donnerstag, 7. November, um 16:00 Uhr auf der Buch Wien 19 (Messe Wien, Halle D, ORF-Bühne) gemeinsam auftreten und über ihre prämierten Werke sprechen. (red)
Norbert Gstrein liest am Samstag, den 9. November, im Rahmen der Buch Wien 19 im Metro Kinokulturhaus. Anmeldungen unter: [email protected]