••• Von Christian Novacek
Die Teuerung und im Verbund die abgehaltenen Preisgipfel vertiefen bestehende Gräben – politisch und gesellschaftlich, handels- und industrieseitig. In einer Sondersitzung des Nationalrats zur Teuerung gab es in der Vorwoche scharfe Angriffe gegen die Koalition. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, evident im Kampfmodus, sprach angesichts der Teuerungswelle von einem „Albtraum für das Land”. In der Ausgestaltung des Albtraums bleiben mehrere Fragezeichen offen, in Bezug auf den Handel eines ganz groß: Wer profitiert von der Teuerung? Wird es zu Verwerfungen im Kaufverhalten kommen bzw. werden die Diskonter zu den Profiteuren der Stunde?
Die Ausgangslage scheint dies nahezulegen und sie wird vom Linzer Institut für Handel und Marketing (IHaM) gestützt. Demnach ist das verfügbare Haushaltseinkommen im Sinken begriffen. Solche mit einem Netto-Haushaltseinkommen von 1.001 bis 2.000 € geben sogar zu 63% an, dass ihr verfügbares Budget für Einzelhandelswaren in den letzten drei Monaten gesunken ist (siehe Grafik). Für Haushaltseinkommen über 5.000 € trifft das dann nur mehr für 35% der Befragten zu. Ein naheliegendes Resümee: Die Kaufzurückhaltung wird zum Dauerzustand, aus „aufgeschoben” wird wohl ein permanentes „Aufgehoben”. „Einzelhändler zu sein, hat schon einmal mehr Freude gemacht, denn die Teuerungswelle frisst das verfügbare Budget für Einkäufe auf – und das mittlerweile nachhaltig”, urteilt Ernst Gittenberger vom IHaM (Institut für Handel, Absatz und Marketing).
Strich durch die Rechnung
Selbst Haushalte mit überdurchschnittlich hohem Einkommen setzen den Sparstift an. „Ein Ende der Kaufzurückhaltung ist nicht in Sicht. Denn drei Viertel der Österreicher rechnen mit weiter steigenden Preisen”, so Gittenberger.
Leichter als im LEH spart es sich übrigens im Non-Food-Einzelhandel – wo, sozusagen als kleiner Kontrapunkt, in der kommenden Woche die 100ste Action-Filiale eröffnet. Dennoch: Die Aussichten auf die kommenden Monate bleiben trüb, denn die Teuerungskrise hat das Einkaufsverhalten im On- und Offline-Handel weiterhin fest im (Würge-)Griff. „Selbst wenn die Inflation in den nächsten Monaten nach unten geht – die Krise muss dann erst wieder aus den Köpfen der Konsumenten und das dauert”, resümiert Institutsvorstand Christoph Teller.
Kein Geschäftesterben
Anlässlich der Präsentation des Expansionshandbuchs von Standort + Markt, das (übrigens seit 2005) die Expansionsbestrebungen des filialisierten Einzelhandels unter die Lupe nimmt, kommt Standort + Markt-Gesellschafter Roman Schwarzenecker zum Schluss: „Expansion ist zwar derzeit nicht vorrangiges Thema, aber vom großen Geschäftesterben kann noch keine Rede sein. Manche Unternehmen reduzieren ihre Standorte, aber halten sich noch wacker.”
Dem entsprechen im LEH die Aussagen der Lidl- und Hofer-Chefs. Marktforscher RegioData Research attestiert Lidl zwar eine moderate Standortreduktion, die Stimmung ist seitens Geschäftsführer Alessandro Wolf aber von Zuversicht geprägt: „Unser Geschäftsmodell kann derzeit viele Stärken ausspielen. Betrachtet man den Gesamtmarkt, haben wir überdurchschnittlich gut performt. Dabei kommt uns zugute, dass wir den Fokus immer darauf haben, Kosten im Griff zu haben und Einsparungen auch bei knappen Margen weiterzugeben.” Demgemäß habe man auch den Marktanteil auf 5,5% steigern können.
Der Diskontanteil im filialisierten Lebensmittelhandel, bezogen auf die Anzahl der Filialen, liegt laut Standort + Markt derzeit bei 18%. Im Zehn-Jahres-Vergleich ist dieser Wert leicht zurückgegangen. „Das liegt unter anderem auch daran, dass Tankstellen-Shops in unserem Alltag immer mehr an Bedeutung gewinnen”, erläutert Standort + Markt-Geschäftsführerin Brigitte Moser.
Sie führt aus: „Die Convenience, die uns durch das oft zitierte Greißlersterben abhandengekommen ist, wird nun vielerorts durch Shops wie Billa unterwegs, Spar Express oder MPreis shopM ersetzt. Tankstellen-Shops sind nicht mehr wie früher eher Einzelkämpfer, sondern stark filialisiert. Deren hohe Shop-Anzahl dämpft daher ein wenig den Diskontanteil und lässt die Gesamtzahl der Filialen, entgegen dem jahrelangen Trend, wieder steigen.”
Dynamische Diskonter
Laut Standort + Markt sind ca. neun Prozent der derzeit expandierenden Unternehmen dem Lebensmittel-Sektor zuzurechnen. Während im Einzelhandel generell gebremstes Wachstum bzw. Stagnation diagnostiziert wird, erweist sich der Diskontmarkt-Bereich in Zeiten wie diesen als sehr dynamisch.
Dabei eröffnen aber nicht nur Altbekannte wie Hofer, Lidl, Penny laufend neue Standorte. „Auffallend ist, dass in der jüngeren Vergangenheit auch neue Player mit ersten Standorten in Österreich aufhorchen lassen, darunter etwa Pepco, Thomas Philipps und zuletzt GiFi”, so Moser.
Wichtigster Player im Diskontbereich ist Hofer mit knapp 540 Filialen, 445.000 m² Verkaufsfläche und einem Brutto-Jahresumsatz von rd. 4,5 Mrd. €. Hofer-Chef Horst Leitner bestätigte zuletzt in der medianet ranking week (Ausgabe 12. Mai) den positiven Push im Diskontermarkt: „Gerade in Zeiten von Preissteigerungen vertrauen viele Kundinnen und Kunden dem Diskontprinzip: attraktive Eigenmarken zu günstigen Preisen. Hier stellen wir eine dynamische Nachfrage fest, was sich auch in der positiven Umsatzentwicklung widerspiegelt.”
Breites Feld hinter Hofer
Gemessen an der Zahl der Filialen, liegen hinter Hofer NKD, Penny, kik und Lidl. In Bezug auf die Verkaufsfläche lautet die Reihenfolge hinter Hofer: Möbelix, Lidl, Penny und mömax. Das Ranking der Umsätze zeigt an zweiter Stelle Lidl vor Penny, Möbelix und Action.
Ordnet man die Bruttojahresumsätze der Diskonter den Bundesländern zu, liegt NÖ knapp vor Wien und OÖ. Aufschlussreich ist laut Standort + Markt die Betrachtung der nach der Bevölkerung gewichteten Umsätze (Kopfquoten); da entfallen die höchsten Umsätze nämlich auf das Burgenland. Dort spielen mit 1.416 € Umsatz je Einwohner die Diskonter ihre größte Stärke aus. Die geringste Dichte gibt es in Vorarlberg mit 753 €. Betrachtet man die jeweiligen Diskontschienen, sieht man die Dominanz der Lebensmitteldiskonter mit einer durchschnittlichen Kopfquote von 812 €, gefolgt von Bekleidungs- und Einrichtungsdiskontern. Die Aktionspostenmärkte sind mit 50 € je Einwohner noch an der letzten Stelle.