Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
BEGRIFFLICHKEITEN. Eine gute Woche hatte er durchgehalten, dann knickte er ein: Der grüne Vizekanzler Werner Kogler hat am gestrigen Donnerstag den hochfrequent kritisierten Begriff „Hysterie” im Zusammenhang mit der Teuerungswelle zurückgenommen. Es sei „ein unsinniger Begriff, weil er das Falsche ausdrückt, nämlich das Gegenteil dessen, was ich meine”, erklärte er.
Kogler hatte kürzlich Kritik an SPÖ, FPÖ und Medien geübt, die in Sachen Teuerung „eine Hysterie anzünden”. Mit dem strategisch wertvollen Verweis: „Zu glauben, dass man die Teuerung erschlagen kann, ist Quatsch.” Stimmt. Das „Daschlogn” von Sachverhalten hat auch unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen, etwa in der Causa Pilnacek und die Eurofighter, nicht so gut funktioniert. Obwohl: Nein, es hat funktioniert, aber weder sprachliche Pragmatik noch angedrohte Durchführung gereichen beim Daschlogn zum PR-Vorteil.
Zurück zur Teuerung: Im Mai sprang die Inflation in Österreich auf acht Prozent – ein 47-Jahres-Hoch. Erholung könnte der Herbst bringen. Oder auch nicht.
Apropos „Hysterie”: Die Inflation ist auch in der Schweiz hoch wie seit fast 14 Jahren nicht mehr: Die Verbraucherpreise stiegen gegenüber Mai 2021 um 2,9 Prozent. „Noch ist die Schweiz eine Insel der selig Verdienenden”, unkt die NZZ. „Wo die Preise in der Schweiz nun durch die Decke gehen”, präzisiert ein Bericht der Luzerner Zeitung.
Die gute Nachricht: Die heimische Wirtschaft springt jetzt wieder so richtig an. Das BIP hat im ersten Quartal inflationsbereinigt um 9,5 Prozent zugenommen – ein um 0,5 Prozent höherer Wert als vor der Pandemie. Diese Entwicklung, so die Statistik Austria, sei von praktisch allen Wirtschaftsbereichen getragen worden, ganz besonders aber von Industrie, Bau und Handel. Auch Gastronomie und Beherbergung legten einen Zahn zu, haben aber auch noch viel Luft nach oben. Womit geklärt wäre, dass mit Hysterie tatsächlich noch abgewartet werden darf.