WIEN. Die jüngste Präsentation des Österreichplans durch Bundeskanzler Karl Nehammer hat Diskussionen entfacht. Die Kritik zielt weniger auf den Inhalt des Österreichplans, sondern auf die Durchsetzungskraft der ÖVP. Senat der Wirtschaft Vorsitzender Hans Harrer verdeutlicht die drängende Notwendigkeit einer entschlossenen Politik angesichts der fragmentierten politischen Landschaft Österreichs.
„Ohne absolute Mehrheit durchregieren? Unmöglich!“, erklärt Harrer und weist darauf hin, dass in Österreich die Realverfassung eine Barriere für zukunftsorientierte Politik bildet. Die Frage steht im Raum: Wie kann ein effektives Wirtschaftsprogramm vorangetrieben werden, wenn wirtschaftsfeindliche Regierungspartner, partikulargetriebene Interessenvertretungen sowie eine Unzahl von NGO-Organisationen eigene Interessen und Doktrinen über das Wohl des Landes stellen? „Gerade jetzt sollte die ÖVP die einmalige Gelegenheit Nutzen und die Grünen-Zustimmung zu ihren Anliegen gegen vorgezogene Neuwahlen auf die Waagschale legen“.
Harrer erkennt ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Total-Reformen und nicht Reförmchen, um den wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Er fordert eine Rückbesinnung der Politik auf die Bedürfnisse der Menschen und eine Abkehr von übermäßigem Staatsinterventionismus zugunsten eines Umfelds, das Eigenverantwortung und Kreativität fördert.
Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Europa im Blickpunkt
In seiner neuesten Publikation betont WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr die Schlüsselrolle eines „starken, dynamischen Europas“ für Wohlstand und Sicherheit, gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten. Er plädiert für eine „Fokussierung der EU auf ihre Kernkompetenzen“, und diese liegen nun einmal im Wirtschaftsbereich. Harrer kritisiert die Vernachlässigung des europäischen Wirtschaftsstandorts und warnt vor der seit Jahren stattfindenden und zuletzt an Dynamik zunehmenden dramatischen Deindustrialisierung.
Die „Wirtschaftspartei" ÖVP hat jetzt die einmalige Chance, ihre zentralen wirtschaftspolitischen Ziele für Österreich durchzusetzen. Während die Grünen ihre Agenda weitgehend umsetzen konnten, wurden wichtige ÖVP-Vorhaben wie Arbeitsmarktreform, Pensionssplitting, Steuererleichterung beim Kauf des ersten Eigenheims oder Wiedereinführung der Behaltefrist blockiert.
Behaltefrist und Arbeitsmarktreform als Schlüsselthemen
Besonderes Augenmerk legt Harrer auf die Wiedereinführung der Behaltefrist als zentrales ÖVP-Programmziel, und zwar in der Form, wie wir sie bis 2011 in Österreich hatten. Kritisch äußert er sich zu Finanzminister Magnus Brunners Vorschlag einer zehnjährigen Behaltefrist.
Harrer betont: „Eine zehnjährige (!) Behaltefrist widerspricht dem Grundsatz des Investierens. Eine gut gestaltete, einjährige Behaltefrist ist entscheidend für den individuellen Vermögensaufbau und die Resilienz der Volkswirtschaft. Die ÖVP steht vor einer entscheidenden Herausforderung. Die von Wirtschaftsminister Martin Kocher vorgelegte Arbeitsmarktreform und eine durchdachte, kurze Behaltefrist könnten den Wirtschaftsstandort stärken. Die ÖVP muss Mut fassen und den grünen Regierungspartner vor die Alternative stellen: Behaltefrist und Arbeitsmarktreform, oder Neuwahlen. So könnte die ÖVP ihre Durchsetzungskraft als führende Wirtschaftspartei beweisen. Der Ball liegt nun bei der ÖVP.“
Harrer ruft zu einem konzentrierten Schulterschluss auf: „Schluss mit ideologischen Fesseln! Es ist Zeit, pragmatisch und überparteilich zu handeln, um unsere Wirtschaft sicher durch ruhige Gewässer zu steuern. Weg von veralteten Parteilehren und politischer Farbenlehre – das Wohl der Bürger und des Landes sollte im Mittelpunkt stehen. Überwinden wir politische Gräben und gestalten endlich gemeinsam eine zukunftsweisende Lösung für unser Land."
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