WIEN. „Als ich heute am Flughafen ins Taxi gestiegen bin, hat mir der Taxifahrer erklärt, dass das Coronavirus in einem chinesischen Labor entwickelt worden sei, um der westlichen Welt zu schaden. Auf die Frage, woher er diese Information habe, antwortete er: aus einem Online-Artikel. Von welchem Medium, das konnte er mir nicht sagen.”
Professor Mark Eisenegger vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich nutzte diese Anekdote am Mittwochabend als Einstieg für seinen Vortrag zum Thema Medienqualität, in welchem er sich vor allem der wisssenschaftlichen Annäherung an die Definition des Qualitätsbegriffs widmete. Denn ja, der oftmals schwer greifbare und schwammig definierte und interpretierte Begriff der Qualität kann sehr wohl wissenschaftlich hergeleitet werden.
Qualität damals und heute
Eine Gesellschaft wie die unsere, in der die Öffentlichkeit die höchste Instanz bildet – oder zumindest bilden sollte – funktioniert nur, wenn die Öffentlichkeit bestimmte Qualitätsansprüche erfüllt. Bereits die Aufklärer stellten diese Ansprüche: Vernunft sollte das dominierende Prinzip der öffentlichen Kommunikation sein, sie sollte eine Vielfalt der Positionen abbilden und die Inhalte sollten von allgemeiner Relevanz sein. Ob dies auch heute noch, im digitalen Zeitalter, eine qualitativ hochwertige öffentliche Kommunikation ausmache? Ja, sagt Eisenegger, doch die Inhalte werden heute natürlich gänzlich anders vermittelt, und der Qualitätsjournalismus stehe durch die Möglichkeiten des Internet im Hyperwettbewerb mit anderen Quellen.
Umgelegt auf den heutigen Demokratieansatz, leitete Eisenegger drei Qualitätsdimensionen ab, die sich nicht in ihren Grundwerten, wohl aber in ihrer Ausführung von jenen der Aufklärer unterscheiden. Die Relevanz der Nachrichten, die sich im Verhältnis von Hard- und Softnews und dem Makrogehalt für die Gesellschaft äußert; die zweite Dimension ist die Akteurs-, Meinungs- und Themenvielfalt, die in dem jeweiligen Medium abgebildet wird. Und schließlich die Dimension der Professionalität, die sich durch Faktoren wie Unabhängigkeit, die Anführung von Quellen, die Einordnung, die Eigenleistung, die Ausgewogenheit der Argumente und Ähnlichem definiert – Faktoren, die Eisenegger unter dem Begriff der Begründetheit zusammenfasst, die die sogenannte Masterqualität des heutigen Qualitätsjournalismus darstelle.
Wer ist heute Journalist?
Die Frage nach der Legitimation von Meinung in zeitgemäßem Qualitätsjournalismus beantwortet Eisenegger folgendermaßen: „Sie dürfen sich empören, aber Sie müssen sagen, warum Sie sich empören.” Im Anschluss diskutierten Eisenegger, Georg Eckelsberger (Dossier), Yvonne Widler (Kurier.at) und Daniela Kraus (Presseclub Concordia) unter der Moderation von Sebastian Loudon (Die Zeit, Datum) über das Gehörte und die Frage, inwiefern sich Qualität und die Schnelligkeit der digitalen Welt noch vereinbaren lassen.
Zur Sprache kam auch die Förderung des Journalismus in Österreich und wie diese gestaltet sein sollte, um qualitativ hochwertigen Journalismus zu unterstützen. Dazu müsse man sich vor allem mit einer Frage auseinandersetzen, sind sich die Teilnehmer einig: Was ist Journalismus bzw. wer ist eigentlich Journalist? Denn diese Grenze ist im digitalen Zeitalter oft nur noch schwer zu ziehen. (ls)