SPÖ-Papier geleakt: Unangenehme Folgen für SORA
© APA/Georg Hochmuth
Andreas Babler
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.09.2023

SPÖ-Papier geleakt: Unangenehme Folgen für SORA

Babler sieht "Panne" bei Meinungsforschungsinstitut - ORF beendet Wahl-Zusammenarbeit - SORA-Sozialforscher Günther Ogris zieht sich aus Wahlanalyse zurück.

WIEN. Das am Dienstag unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit gelangte "SPÖ-Strategiepapier" von SORA hat unangenehme Konsequenzen für das Meinungsforschungsinstitut. Als Reaktion beendete der ORF seine Wahl-Zusammenarbeit, SORA-Sozialforscher Günther Ogris zieht sich aus dem Wahlanalyse-Team zurück. SPÖ-Chef Andreas Babler tut SORA "leid", liege die "Panne" doch "klar bei ihnen", wie Babler am Mittwoch vor Journalisten sagte. Beauftragung durch die Partei habe es keine gegeben.

Die Unterlagen seien "Überlegungen", die SORA gemacht habe. Daher sei es auch kein "SPÖ-Strategiepapier", betonte der SPÖ-Vorsitzende. Die "Panne" liege bei dem Meinungsforschungsinstitut und nicht bei der SPÖ. Auch kenne er das Papier nicht in seiner Gesamtheit, so Babler. Daher könne er nichts zu den als "Schattenkabinett" titulierten Personen sagen oder zu anderen darin enthaltenen Vorschlägen und Strategien.

Die Präsentation erstellte SORA-Sozialforscher Günther Ogris ohne Auftrag der Partei und präsentierte sie am Montag Babler. Am Dienstag sollte die Unterlage der SPÖ per Mail übermittelt werden, wurde aber fälschlicherweise an einen falschen Verteiler mit rund 800 Empfängern versandt.

Wie Ogris am Mittwoch in einer Stellungnahme gegenüber der APA erklärte, arbeite er "seit Jahrzehnten" neben seiner sozialpolitischen Forschung und Wahlforschung auch an strategischen Modellen. Bei der an die Medien gelangten Unterlage handle es sich um "eine persönliche Hypothesensammlung und Vorversion einer Gesprächsunterlage". Diese enthalte "persönliche Überlegungen für eine eventuelle Beratungstätigkeit" und war nicht zu Veröffentlichung bestimmt, argumentierte der Sozialforscher.

Nicht ganz eineinhalb Stunden danach gab SORA den Rückzug Ogris' aus der Wahlanalyse bekannt. Diese Entscheidung habe er mit Mitgründer Christoph Hofinger "einvernehmlich" getroffen, hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Ogris habe in der "langjährigen Zusammenarbeit stets höchste wissenschaftliche Professionalität bewiesen", so Hofinger. Er schätze dessen Schritt "im Sinne der Glaubwürdigkeit" sich "mit sofortiger Wirkung" aus dem für den ORF arbeitenden Wahlanalyse-Team zurückzuziehen.

Der ORF begründete das Ende der Zusammenarbeit damit, dass "insbesondere bei Wahlen Glaubwürdigkeit und Objektivität in der ORF-Berichterstattung von essenzieller Bedeutung" seien. Auch soll "jeglicher Anschein von Einseitigkeit unterbunden werden".

Der Schritt des öffentlich-rechtlichen Medienhauses erfolgt mit sofortiger Wirkung. Betroffen ist die Zusammenarbeit in Sachen Wahlforschung, Hochrechnungen und Analysen. Der ORF betont, dass vergangene Hochrechnungen von SORA äußerst präzise gewesen seien und "niemals irgendein Indiz für eine parteipolitische Einseitigkeit gegeben war". Mit wem der ORF künftig in dieser Sache zusammenarbeitet, stand vorerst noch nicht fest.

In dem Strategieentwurf werden unter anderem Ziele für die Nationalratswahl formuliert: Die SPÖ wird stärkste Partei, die SPÖ wird stärkste Partei links der Mitte und eine Ampel-Mehrheit wird erreicht, um eine Regierung ohne ÖVP und FPÖ zu ermöglichen. Als Strategie soll die SPÖ demnach die "Hoffnung auf Erlösung" schüren, indem die "depressive Stimmung und Erschöpfung" betont wird und dass "die ÖVP blockiert".

Gleichzeitig soll das Kanzler-Image von Babler gestärkt werden. Dabei wird insbesondere auf das "Charisma der Nähe" des Traiskirchner Bürgermeisters gesetzt: "Er liebt die Menschen, er ist gern unter Menschen, er fühlt sich ihnen nahe und verbunden". Der "Story-Frame" laut dem Papier: "Liebe statt Hass = Babler statt Kickl".

Teil des "Schattenkabinetts" ist neben Medienmanager Gerhard Zeiler als Finanzminister auch Volkshilfe-Chef Erich Fenninger, der für Soziales zuständig sein soll sowie Vize-Klubobfrau Eva Maria Holzleitner für Frauen. Auch wird Babler darin vorgeschlagen, wie er "offensiv" auf kritische Fragen antworten könnte, etwa ob er ein Marxist oder gegen die EU sei.

Die ÖVP gab sich nur bedingt zufrieden mit der Reaktion des ORF. Generalsekretär Christian Stocker forderte in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz "vollständige Transparenz", also ob Compliance- und Transparenzrichtlinien in derartigen Verträgen auch abgebildet seien. An sich seien Kooperationen von Parteien und Instituten "ja nichts verwerfliches, sondern geradezu alltägliches im politischen Geschehen", befand Stocker. Bei einem Kooperationspartner des Öffentlich-rechtlichen bei Wahlen sei der Fall aber anders gelagert.

Stocker bezweifelt auch, ob es sich bei dem Papier tatsächlich um ein bloßes Angebot an die SPÖ gehandelt habe, oder bereits eine Beratungsleistung, da immerhin bereits konkrete Vorschläge für Negative Campaigning enthalten seien. Aufklärung will der ÖVP-Generalsekretär außerdem darüber, ob es sich um einen ersten Kontakt gehandelt hat, oder die SPÖ nicht schon seit längerem beraten werde. Zudem spekulierte Stocker über eine mögliche Querfinanzierung der Bundespartei und Vorfeldorganisationen wie den roten Gewerkschaftern von der FSG.

FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte sich entsetzt über das Papier. In der Alltagssprache bedeuteten die Vorschläge "nichts anderes als einen Aufmarschplan für eine links-linke Bundesregierung", sagte er in einer Pressekonferenz. SORA schlage nichts anderes vor, als die Vernaderung des politischen Mitbewerbers. "Das sind Silberstein-Methoden, die im Gewand der Sozialdemokratie daherkommen", befand der FPÖ-Chef mit Verweis auf den Berater Tal Silberstein. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sieht auch nach der Aufkündigung der Kooperation "Erklärungsbedarf beim Österreichischen Rundfunk".

"Der Alptraum, dass man etwas an den falschen Verteiler schickt", meinte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Rande des Ministerrats zur Causa. Aber wenn es hier zu einer Vermischung von Wahltagsbefragungen und Parteiarbeit komme, "ist das natürlich problematisch", betonte sie. Alle Parteien arbeiteten mit Umfrageinstituten zusammen, erklärte Maurer, aber dabei seien ethische Standards einzuhalten.

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