Gastkommentar ••• Von Robert Sobotka
WIEN. In der Branche der Markt- und Meinungsforschung hat Künstliche Intelligenz (KI) längst Einzug gehalten. Es wurden und werden zahlreiche Anwendungen entwickelt, die das Leben von Marktforschenden erheblich erleichtern. Doch können Roboter auch die Rolle eines Interviewers/einer Interviewerin übernehmen, insbesondere bei Telefoninterviews? Diese Frage wirft nicht nur technische, sondern auch ethische und praktische Überlegungen auf.
Status quo
Grundsätzlich ist es bereits möglich, Roboter als Interviewer einzusetzen. Ob sie jedoch die bessere Wahl sind, bleibt eine Diskussionsfrage. Eines steht jedoch außer Frage: Sie sind kostengünstiger als menschliche Interviewer und könnten damit die telefonische Marktforschung vom Kostenstandpunkt attraktiver machen und damit neue Geschäftsfelder für diese Methode eröffnen. Abgesehen von finanziellen Überlegungen bieten Sprachroboter auch eine Reihe von qualitativen Vorteilen:
• Präzise Fragestellung: Roboter lesen die Fragen deutlich und wortwörtlich vor, wodurch sie konsistente Interviews gewährleisten.
• Objektivität: Roboter beeinflussen die Befragten nicht und vermeiden jegliche suggestiven Umformulierungen und Betonungen, die Interviewer oft unbeabsichtigt verwenden könnten.
• Nachfragen: Bei unklaren Antworten können Roboter gezielt nachfragen und so eine bessere Verständlichkeit bzw. das Einhalten der vorgegebenen Skalierung sicherstellen.
• Genauigkeit: Roboter sind in der Lage, die Antworten auf offene Fragen genau und umfassend zu notieren, ohne menschliche Fehleingaben und Kürzungen.
• Vielsprachigkeit: Sie beherrschen zahlreiche Sprachen und sind somit in der Lage, internationale Studien ohne Sprachbarrieren durchzuführen.
• Qualitätskontrolle: Roboter erleichtern die Qualitätskontrolle, da sie stets nach denselben Standards arbeiten und damit kein Supervising erfordern.
Fazit: Kein Ersatz für Mensch
Trotz dieser Vorteile gibt es einen wesentlichen Nachteil: Wer spricht schon gerne mit einem Roboter anstelle einer Person? Die größte Herausforderung der telefonischen Marktforschung liegt heutzutage nicht in der Technologie, sondern darin, Menschen zur Teilnahme an einem Interview zu motivieren. Daher ist es unerlässlich, dass ein Mensch das Gespräch zumindest beginnt, um die Gesprächsbereitschaft des Respondenten sicherzustellen; der digitale Kollege kann dann den Rest des Interviews übernehmen. Das Konzept wird jedoch erst dann erfolgreich sein, wenn Befragte nicht bemerken, dass das Gespräch an einen Roboter übergeben wurde. Derzeit ist der digitale Interviewer leicht erkennbar, doch die Entwicklung schreitet schnell voran. Experten zufolge könnte es in ein bis zwei Jahren so weit sein, dass Roboter tatsächlich als Interviewer zum Einsatz kommen.