••• Von Gianna Schöneich
Herbert Kling, Geschäftsführer von meinungsraum.at, über die US-Wahl, das Versagen der Meinungsforschung bei der Bundespräsidentenwahl und das Zauberwort Microtargeting.
medianet: Microtargeting scheint nach dem Wahlsieg von Donald Trump der neueste Trend in der politischen Marktforschung zu werden. Sehen Sie das auch so?
Herbert Kling: Das von Michal Kosinski und Alexander Nix entwickelte OCEAN-Modell ist wirklich eine sehr spannendes Projekt, auch wenn sich die Wissenschaft noch streitet, ob man damit wirklich den US-Wahlkampf gewinnen konnte. Es wird sicher nicht nur Cambridge Analytica mit der Auswertung der Mikrodaten der Wähler den Wahlsieg für Donald Trump gebracht haben, aber einmal mehr zeigt sich, dass Big Data ein immer wichtigeres Thema in der Zielgruppenansprache für politische Parteien, aber auch Unternehmen wird.
medianet: Was ist das OCEAN-Modell beziehungsweise wie funktioniert Microtargeting?
Kling: Michal Kosinski hat mit dem OCEAN-Modell ein Verfahren entwickelt, mit dem man laut seinen eigenen Aussagen auf Basis von Facebook-Likes und anderen Daten wie dem Wohnort, der Kosmetikmarke oder dem Musikgeschmack die Persönlichkeit von Menschen bestimmen und ihr Verhalten vorhersagen kann. Alexander Nix, CEO der Firma Cambridge Analytica, hat dieses Verfahren kommerzialisiert und bietet auf Basis dieses Modells weltweit nun Wähleranalysen an.
medianet: Glauben Sie als Experte für Online-Marktforschung, dass das wirklich funktionieren kann?
Kling: Ja. Wie gut die Daten von Cambridge Analytica sind, kann ich, ohne diese gesehen zu haben, nicht einschätzen, aber ich bin davon überzeugt, dass Microtargeting ein großes Thema der Zukunft ist. Wir arbeiten selbst schon seit Jahren an diesem Thema und können bereits die Emotionen von Wählern, aber auch Kunden messen und lagen in einer internen Studie bei der Wien-Wahl 2015 punktgenau am überraschenden Wahlergebnis. Damals fehlte uns aber das Selbstvertrauen, mit dieser Studie vorher rauszugehen.
medianet: Trotz der vielen neuen Möglichkeiten durch Big Data liegen die Meinungsforscher aber immer öfter gerade bei Wahlen daneben. Wie kommt das?
Kling: Die letzten Wahlen waren auch immer sehr knapp und damit innerhalb der Schwankungsbreite, die gerade bei 50 Prozent am höchsten ist. Hier stößt man an die Grenzen der politischen Meinungsforschung. Wir haben uns davon verabschiedet, noch kurz vor einer knappen Wahl wie der Bundespräsidentenwahl im Dezember eine Wahlprognose abzugeben. Bei 50 zu 50 kann man seriöserweise keine Vorhersage mehr treffen, und hier ist es einfach besser, zu schweigen.
medianet: Was bringt dann Microtargeting und Big Data?
Kling: Mit dieser Technik tun sich sehr viele neue Möglichkeiten auf, und wir hatten als Meinungsforscher noch nie so viele Daten wie heute. Beschäftigten wir uns in der Vergangenheit sehr viel damit, wie wir an die richtigen Daten kommen können, so haben wir heute eher das Problem, aus der Datenfülle die richtigen Daten miteinander zu kombinieren. Also mit welchen Daten bekommen wir schlüssige Ergebnisse. Wir arbeiten daran und sind am richtigen Weg.
medianet: Können Ihre Kunden diese Tools bereits nutzen?
Kling: Noch nicht, aber schon bald. Auf Basis unseres bereits eingeführten Emotions-Check-Tools arbeiten wir an einem deutlich ausgefeilteren Instrument, das wir bald am Markt einführen werden. Für Unternehmen und Parteien lässt sich mit diesem Microtargeting-Instrument die Kommunikation mit Kunden und Wählern deutlich verfeinern und besser auf die jeweiligen Zielgruppen zuspitzen. Entscheidend ist, dass wir auch das Unterbewusstsein der Befragten miteinbeziehen und damit deutlich bessere Ergebnisse bekommen, als bei einer klassischen Befragung.
Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Die meisten Entscheidungen, die wir treffen, sind nicht rational, sondern werden aus dem Bauch heraus getroffen. Und gerade dieses ‚Bauchgefühl' machen wir messbar.
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