••• Von Jürgen Zacharias
Mit seinem Dieselskandal dominiert Volkswagen derzeit die Berichterstattung rund um die deutschen Automobilhersteller. Während seitenlang über CO2-Unregelmäßigkeiten und die Milliardenfolgen des Skandals (siehe auch Kommentar auf der rechten Seite) berichtet wird, fallen Verkaufserfolge von Daimler, BMW und Co beinahe unter den Tisch.
Ein Blick auf die anderen Hersteller lohnt also, zeigt sich dort doch das Bild einer vitalen Industrie, die sich seit Jahren (siehe Grafik auf der rechten Seite) über ordentliche Zuwachsraten freuen darf und die wohl auch in Zukunft den deutschen Exportmotor am Brummen halten wird – auch wenn VDA-Chef Matthias Wissmann schwierigere Zeiten auf die Hersteller zukommen sieht.
2015 wird neues Rekordjahr
Im vergangenen und im laufenden Jahr ist davon allerdings noch wenig zu spüren – 2014 verkauften Mercedes-Benz, Audi, BMW und VW mehr Autos als je zuvor, und heuer dürfen (mit Ausnahme von VW) am Ende des Jahres wohl neuerlich Rekordzahlen stehen.
So konnte Porsche beispielsweise schon im Oktober die Verkaufszahlen aus dem Vorjahr übertreffen, bei Mercedes-Benz dürfte es wohl mit Ende November oder Anfang Dezember so weit sein. Und auch BMW und Audi sowie Opel steuern auf bessere Zahlen zu.
Geht es nach Matthias Wissmann, dann dürfte die Wiederholung ähnlicher Rekorde in den kommenden Jahren aber ungleich schwieriger werden. „Der Gegenwind für die Automobilindustrie wird stärker, die Herausforderungen nehmen im kommenden Jahr erheblich zu”, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, vor wenigen Tagen in Berlin.
Zulassungen gehen zurück
Der Kampf gegen den Terror, die Konjunkturrisiken in Schwellenländern wie Russland und Brasilien und die politischen Spannungen im Nahen Osten trüben laut Wissmann die Stimmung bei den Autobauern. Zudem laste die Unsicherheit über die weitere Entwicklung im Dieselskandal bei VW auf der gesamten Branche und bringe die Dieseltechnologie in Misskredit.
Für 2016 erwartet der Branchenverband daher nur noch ein Zulassungsplus von zwei Prozent auf 78,1 Mio. Pkw weltweit. Das ist im Vergleich zu 2015 ein deutlich geringeres Wachstum: Laut VDA fahren in diesem Jahr trotz des im September bekannt gewordenen Skandals um manipulierte Dieselmotoren von Volkswagen vier Prozent mehr neue Autos auf den Straßen – das war mehr als der Verband erwartet hatte.
Im November war der Zuwachs mit neun Prozent besonders stark. Vor allem die Region Westeuropa habe sich 2015 überraschend gut entwickelt. „Damit hatte vor zwölf Monaten niemand gerechnet”, sagte Wissmann.
Probleme machten den Autobauern aber die Märkte in Russland und Brasilien, dort geht der Absatz seit Längerem zurück. Das werde sich auch 2016 nicht ändern, machte der Verbandspräsident klar. Russland werde zwar das niedrige Niveau halten können, und in Brasilien sei nur mit einem Rückgang im einstelligen Prozentbereich zu rechnen.
In der Prognose für die beiden Länder, die seit einiger Zeit unter schweren Wirtschaftskrisen leiden, stecke aber ein „Quäntchen Hoffnung”. Auch in Spanien, Großbritannien, Frankreich und Italien – den Zugpferden der westeuropäischen Autoindustrie – werde sich das Wachstum verlangsamen.
China bei E-Mobilität in Front
Sorgen sollte den deutschen Herstellern laut Autoexperte Stefan Bratzel vom Branchen-Institut CAM auch das schleppende Vorankommen der Elektromobilität in Deutschland machen. „Deutschland ist derzeit weder Leitmarkt noch Leitanbieter von Elektromobilität”, heißt es in einer aktuellen CAM-Untersuchung. Der neue Leitmarkt sei China, das zuletzt die USA überholt habe, so Bratzel.
Während der Absatz von Elektroautos in Deutschland noch eine Seltenheit sei (15.000 neu zugelassene Fahrzeuge bis Ende September und damit 0,63 Prozent Marktanteil), würde die Technologie in China regelrecht boomen. Seit Jahresbeginn sei dort der Absatz um 135 Prozent auf rund 100.000 gestiegen, damit wurde in China beinahe jedes dritte auf der Welt verkaufte Elektrofahrzeug (insgesamt 335.000) verkauft.
Um die Elektromobilität weltweit, vor allem aber in Deutschland, voranzubringen, fordert der Branchenexperte eine „Neufokussierung der Innovationsaktivitäten”. Gelöst werden müssten vor allem drei Probleme: Reichweite, Infrastruktur und Preis.
Noch ein Problem sieht Bratzel auf BMW, Audi und Co zukommen: Deutschland drohe seiner Ansicht nach nämlich auch bei der wichtigen Zellfertigung für Elektroauto-Batterien zurückzufallen; die größten Produzenten von Batteriezellen stammen inzwischen aus Fernost, was mittel- bis langfristig eine weitere Verschiebung der Wertschöpfungskette aus Europa in Richtung Südostasien beschleunigen dürfte.