SHANGHAI/LUND. Die wachsende Nachfrage nach Elektroautos könnte in einigen Jahren zu einem weltweiten Mangel an Lithium führen. Trotz ehrgeiziger Ausbaupläne zur Gewinnung des wichtigen Batterierohstoffs könnte das Angebot 2030 nicht ausreichen. Dies gelte für Europa sowie die USA oder China. Zu diesem Ergebnis kommt eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie der East China Normal University in Shanghai und der schwedischen Universität Lund.
Den größten Engpass sagen die Wissenschafter dabei für Europa voraus. Zwar rechnen die Experten damit, dass die Förderung des Rohstoffs in der EU in den kommenden Jahren deutlich Fahrt aufnimmt. 2030 könnte sie bei 325.000 Tonnen Lithiumcarbonatäquivalent pro Jahr liegen. Die Nachfrage werde das aber nicht einmal zur Hälfte decken, sie werde dann bei 792.000 Tonnen liegen.
„Lithium ist heute so wichtig wie Benzin in der industriellen Revolution“, sagt Studien-Mitautor Qifan Xia von der East China Normal University in Shanghai. „Die Lithiumreserven sind zwar weltweit beträchtlich, aber ungleichmäßig auf die verschiedenen Länder verteilt.“ Entsprechend groß seien die Herausforderungen, den wachsenden Bedarf zu decken. Die Studie zeige deutlich, dass die Welt ohne sofortige Maßnahmen Gefahr laufe, die Klima- und Energiewendeziele zu verfehlen, warnt Xia.
Lithium kommt vor allem in Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz, wie sie etwa in Smartphones, Laptops und Elektroautos verbaut werden. Bisher ist Europa fast komplett von Importen abhängig. Wichtigste Lieferländer sind Chile, Australien und China, wo der Stoff im Bergbau oder in grossen Salzseen gewonnen wird.
Doch auch die USA und China werden der Studie zufolge ihren Bedarf nicht selbst decken können. Die Lücke dürfte dort aber deutlich kleiner ausfallen als in Europa: In den USA könnte die Förderung bis 2030 auf bis zu 610.000 Tonnen steigen, was knapp 90 Prozent des dann erwarteten Bedarfs abdecke. China, schon bisher einer der wichtigsten Lithium-Lieferant weltweit, könnte dann sogar bis zu 1,1 Mio. Tonnen fördern. Das werde aber auch dort nicht reichen, um den Bedarf von dann voraussichtlich 1,3 Mio. Tonnen zu decken.
Ganz ohne Importe werde daher keine der drei Regionen auskommen, so die Wissenschafter. Alle drei würden daher um die Importe aus anderen Ländern konkurrieren. Das könnte die Versorgungsengpässe weiter verschärfen und die weltweiten Handelsbeziehungen belasten, so die Autoren der Studie.
Um den Mangel zu lindern, empfehlen die Wissenschafter neben einem deutlichen Ausbau der Förderung, auch den Lithium-Einsatz zu reduzieren. Helfen könnten etwa neue Batterietechnologien, die mit weniger oder gar keinem Lithium auskommen. Dazu gehören etwa Natrium-Ionen-Akkus, wie sie in China bereits in ersten Fahrzeugen verbaut werden.
Auch europäische Hersteller arbeiten am Einsatz solcher Akkus. Nachteil: Die Batterien weisen eine geringere Energiedichte auf als solche mit Lithium-Ionen und können daher weniger Strom speichern. In Betracht kommen sie daher vor allem für Kleinwagen mit geringer Reichweite.