Massiver Ausbau des „grünen“ Verkehrs
© Stadt Wien/Fürthner
Ulli Sima
MOBILITY BUSINESS Redaktion 24.10.2025

Massiver Ausbau des „grünen“ Verkehrs

Ulli Sima, Wiens Stadträtin für Mobilität, im Interview über ihre Pläne zum Gelingen der Klimaziele 2040.

Spätestens im Jahr 2040 möchte die Stadt Wien klimaneutral sein. Doch der Weg ist lang und nicht immer einfach. Ulli Sima ist seit ziemlich genau fünf Jahren für die Mobilitätszukunft der Hauptstadt zuständig. Im großen medianet-Interview skizziert sie ihre Vorhaben und nimmt zu aktuellen Problemstellungen und Kritik Stellung.

medianet: Wien will bis 2040 klimaneutral werden. Welche Beiträge leistet der Mobilitätsbereich aktuell dazu, und wo sehen Sie die größten Hürden?
Ulli Sima: Allen voran bauen wir den umweltfreundlichen Verkehr massiv aus. Mit der Linie 12 und 27 sind vor Kurzem zwei neue Straßenbahnen gestartet, die Linie 18 geht in einem Jahr in Betrieb, der U-Bahnausbau U2xU5 läuft auf Hochtouren. Außerdem haben wir vor einigen Jahren die große Radweg-Offensive gestartet und seither rund 100 km neu Radinfrastruktur geschaffen. Und wir machen das Zufußgehen attraktiver, indem wir unter dem Motto ‚Raus aus dem Asphalt‘ in der ganzen Stadt Straßen und Plätze entsiegeln, begrünen, kühlen und Platz schaffen. 75 Prozent der Wiener sind bereits umweltfreundlich unterwegs.  Die größte Herausforderung sehe ich in der Reduktion des Pendlerverkehrs. Die Einführung des flächendeckenden Parkpickerls war ein wichtiger Schritt. Ich würde gerne bundesländerübergreifende Straßenbahnen weiter ausbauen, aber leider steht hier Niederösterreich auf der Bremse.

medianet: Wie gestaltet sich Ihre Arbeit in Zeiten des Sparkurses? Was bleibt auf der Strecke oder wird verschoben?
Sima: Trotz Einsparungen setzt Wien weiter auf Entsiegelung und Begrünung, darunter mit Projekten wie der Neugestaltung des zweiten Teils der äußeren Mariahilfer Straße, einem Abschnitt der Simmeringer Hauptstraße oder dem ersten Teil der Landstraßer Hauptstraße. Sie alle werden entsiegelt und begrünt und zum Teil auch mit neuer Radinfrastruktur versehen.
Klar ist aber auch, dass jedes Ressort gefordert ist, einen Beitrag zu leisten, um die Finanzen der Stadt Wien nachhaltig auf gesunde Beine zu stellen. Alle Projekte wurden daher im Zuge der Budgetplanung auf den Prüfstand gestellt und auch in meiner Geschäftsgruppe wurden einige Projekte identifiziert, die zurückgestellt werden, wie die Umgestaltungen der (West)-Gürtelmittelzone und der Gumpendorfer Straße. Ich bedauere das natürlich sehr, aber ich freue mich auch, dass wir viel umsetzen können!

medianet: Wird es künftig mehr flexible, digitale Abo-Modelle geben, wie pay-per-use oder kombinierte Mobilitätspässe?
Sima: Ja, die Wiener Linien entwickeln das Angebot laufend weiter. Mit der neuen App ‚ciao‘ etwa kann man im gesamten Verkehrsverbund Ost-Region per Check-in/Check-out fahren, ganz ohne Ticketkauf vorher.

medianet: Wird die Stadtentwicklung künftig stärker auf ‚15-Minuten-Städte‘ ausgerichtet, also kurze Wege zu Arbeit, Einkauf und Freizeit?
Sima: Die Stadt der kurzen Wege ist tatsächlich schon lange fest in der Stadtentwicklung verankert und auch in Zukunft ein zentrales Thema im aktuellen Wien-Plan 2035, der die Strategie der Stadtentwicklung festlegt. Es geht darum, dass Stadtteile keine ‚Schlafstädte‘ sind und alles, was die Menschen für den Alltag brauchen, auf kurzem Wege zu Fuß oder mit dem Rad erreichen können.

medianet: Plant die Stadt neue Maßnahmen, um den Lieferverkehr und Last-Mile-Transport nachhaltiger zu gestalten?
Sima: Wir rollen derzeit ein Netz aus Mikro-Hubs mit betreiberunabhängigen Paketboxen (White-Label) aus, aktuell stehen 700 Boxen in ganz Wien. Zudem werden Sharing-Angebote massiv erweitert. Unser Ziel ist, dass in zehn Jahren alle Wiener in 500 Metern Entfernung eine WienMobil-Station mit E-Autos, Leihrädern, E-Bikes oder Lastenrädern finden.

medianet: Der Bau des S1-Teilstücks spaltet die Geister. War es in der Kommunikation nicht ungeschickt, das kostenintensive Projekt gleichzeitig mit der Erhöhung der Öffi-Tarife, Parkgebühren und Finanzierungsdiskussionen beim Bau der U5 öffentlich zu machen?
Sima: Die Zweimillionenstadt Wien braucht eine Umfahrung, um die Südosttangente zu entlasten, die rund eine Million Transit-Lkw aus der Stadt zu bekommen und mehr Platz für Öffis zu schaffen. Die Nord­ostumfahrung wird von der ­Asfinag mit den Geldern aus Vignette und Maut finanziert und nicht von der Stadt Wien. Wien setzt weiter auf den Ausbau der Öffis, etwa mit Ausbau der U2xU5.

medianet: Wie sieht es aus bei der Elektrifizierung der Fahrzeugflotten aus?
Sima: Bis 2040 sollen alle städtischen Fahrzeuge klimaneutral unterwegs sein. Schon 2025 werden 25 Prozent der Flotte alternativ betrieben, das sind rund 2.500 E-Fahrzeuge, bei den Pkw liegt die Quote bei 43 Prozent MA48 und Wiener Stadtwerke arbeiten dazu an einem umfassenden Umstellungsplan.

medianet: Weshalb wurde der ermäßigte Senioren-Fahrschein ersatzlos abgeschafft? Trifft das nicht gerade jene, die finanziell nicht gut gestellt sind? Werden durch Ermäßigungen für digitale Öffi-Jahreskarten nicht jene benachteiligt, die kein Smartphone besitzen oder bedienen können?
Sima: Statt vieler Einzeltickets setzen wir auf die ermäßigte Jahreskarte für Senioren. Sie fahren damit um 81 Cent pro Tag durchs bestens ausgebaute Netz.  Für einkommensschwache Gruppen gibt es weiterhin den Mobilpass der Stadt Wien. Digitale Tickets werden bewusst günstiger angeboten. Sie reduzieren Papierverbrauch, Wartezeiten und Verwaltungsaufwand und wer Hilfe bei digitalen Angeboten braucht, bekommt diese natürlich von den Wiener Linien.

medianet: Wie gehen die Pläne einer autofreien Innenstadt voran?
Sima: Nachdem die grüne Ex-Verkehrsministerin Gewessler das größte Verkehrsberuhigungsprojekt Österreichs jahrelang verhindert hat, kommt dank der nun von Minister Hanke vorgelegten StVO-Novelle endlich Bewegung in die Sache! Sobald sie im Mai beschlossen ist, starten wir die Ausschreibung und wollen die verkehrsberuhigte Innenstadt im Laufe dieser Gesetzgebungsperiode umsetzen. Wir gehen davon aus, mehr als 15.000 Einfahrten in den ersten Bezirk verhindert zu können.

medianet: Wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken: Wie wird sich die Art, wie sich Menschen in Wien bewegen, am stärksten verändert haben?
Sima: Ich wünsche mir natürlich, dass wir in Sachen Mobilitätswende in zehn Jahren nochmal einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht haben und noch mehr Menschen in Wien ihre alltäglichen Wege zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffis erledigen werden. Aber ich bin tatsächlich sehr zuversichtlich, was das angeht, denn wir bauen das Angebot ja weiterhin massiv aus. Und wenn ein gutes Angebot da ist, wird es von den Menschen erfahrungsgemäß auch gerne angenommen.

medianet: Wie geht der Ausbau der Ladeeinfrastruktur voran?
Sima: Im Großraum Wien gibt es bereits mehr als 2.200 öffentliche Ladepunkte und wir bauen konsequent weiter aus. Ziel der Aufschwungskoalition ist es, in den nächsten Jahren 1.000 weitere Ladepunkte zu errichten.

medianet: Welche Innovationen halten Sie für die Game-Changer in der urbanen Mobilität?
Sima: Neben der Elektrifizierung des Verkehrs wird Shared Mobility entscheidend, denke ich. Mit WienMobil bieten wir heute schon attraktive Kombiangebote. Zudem setzen wir auf weitere neue Technologien, wie etwa aktuell Wasserstoff-E-Busse, die seit September im Innenstadt-Pilotbetrieb sind.

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