Gesundheit Das ehemals „beste Gesundheitssystem der Welt” entdeckt jetzt – mitten in den anhaltenden Turbulenzen der Ärzteproteste – das Thema Selbstbehalt ganz neu. Wer bis dato dachte, Rezeptgebühren, Krankenhaus-Taggeld und Zahnarzthonorare seien schon Selbstbehalt genug, wird eines Besseren belehrt. Denn: Der „mündige Patient”, so nennen wir das seit den 1980er-Jahren, braucht noch ein bissl mehr Ansporn.
Also: Erst einmal sind die Kosten für Zusatzkrankenversicherungen demnächst steuerlich nicht mehr absetzbar – und, zweitens, sollen Selbstbehalte beim Arzt in Zukunft auch für die ASVG-Versicherten eingeführt werden. Wer ungesund lebt, soll auch bestraft werden können, meint der ÖVP-Klubchef in der Presse. Denn: „Vor dem Staat kommt die Eigenverantwortung.”Dies lohnt es sich zu hinterfragen: Ungesund leben, das heißt nach allgemeiner Übereinkunft: Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel. Allerdings könnte man diesen Kriterienkatalog problemlos erweitern: Um Anwohner verkehrsreicher Straßen (Feinstaub, Lärm), Workoholics (Stress), Eltern (Kinder: auch Stress), Landespolitiker (Schlafmangel wegen Festzelteröffnungen), Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen (Kontakt mit exotischen Krankheiten), Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen (allgemeine Überlastung), den Weihnachtsmann (Staublunge wegen Kamingerutsche) …Ein Ziel des plakativen Gewachels mit den „vereinbarten Gesundheitszielen” ist auch eine Einschränkung der Arztbesuche, weil es ja, sagt Reinhold Lopatka, „Einzelne gibt, die zu oft zum Arzt gehen, und Ärzte, die zuviel verschreiben …” Eine praktische Möglichkeit, die Patienten vom Arzt fernzuhalten, wäre auch eine kreative Ausweitung der Brustkrebs-Screening-Aktion: Man geht nur mehr dann zum jeweiligen Facharzt, wenn die behördliche Aufforderung dazu kommt – und nicht zu dem Zeitpunkt, wo man sich schlicht krank fühlt.Eine Anmerkung: Der Rechnungshof ortete im Jahr 2012 allein bei den Pensionen der Bediensteten der Sozialversicherungen bis 2050 noch Einsparmöglichkeiten von insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Den diesbezüglichen Ärger sollten Sie sich jetzt entweder einfach verkneifen (Stress: Bluthochdruck) – oder aber mit dem Hausarzt Ihres Vertrauens eine Gesundheitsvereinbarung zur Gründung einer Anti-Privilegien-Facebookgruppe treffen.