„Ein Medium für tot zu erklären, ist übertrieben”
© Martina Berger
PRIMENEWS Redaktion 13.09.2019

„Ein Medium für tot zu erklären, ist übertrieben”

Susanne Koll und Anja Hettesheimer von Omnicom: Warum der Mediamix keine Entweder-oder-Frage ist.

WIEN. Im Focus.xpert-­Ranking steht die Omnicom Media Group in Österreich mit 308 Mio. € Umsatz auf Platz 3 der Mediaagenturen. Die OMD betreut hierzulande über 200 Unternehmen in unterschiedlichen Aufgabenfeldern – von Marktanalysen, Marken- und Zielgruppenverständnis, über individuelle Strategien, Konzeption und Planung, Verhandlung und Einkauf bis hin zur Abwicklung, Optimierung und Kampagnen-Evaluierung. Im Interview sprachen OMD-CEO Susanne Koll und Managing Director von PHD Anja Hettes­heimer unter anderem über das schwere Jahr 2018 sowie die Entwicklungen am Markt.

medianet: Frau Koll, das Jahr 2018 kann man für die OMD wohl als turbulent beschreiben; so verloren Sie einen großen Kunden, die Rewe Group, und konnten gleich zwei neue große Kunden hinzugewinnen. Ist das erste halbe Geschäftsjahr 2019 für die OMD ebenso bewegt wie 2018?
Susanne Koll: Gerade der Verlust von Rewe war vor allem emotional eine große Herausforderung, aber das hat unser Team nur noch mehr zusammengeschweißt, uns noch stärker gemacht und das bekommen wir auch von unseren Kunden und vom Markt widergespiegelt. Natürlich profitieren wir davon, dass wir 16 Jahre lang einen Kunden wie Rewe betreuen durften, denn die Bedürfnisse, die Komplexität und Schnell­lebigkeit des Handels liegen in unserer DNA und haben maßgeblich unsere Agenturstruktur, Prozesse, Technologien und Denkweise geprägt. Unsere Prozesse sind perfekt optimiert und erlauben es uns, rasend schnell auf neuerliche Entwicklungen zu reagieren – ganz nach unserem Leitsatz: ‚Better Decisions, Faster'.

medianet:
Neben langjährigen Kunden wie McDonald’s, Beiersdorf sowie Renault und Nissan konnten Sie im vergangenen Jahr die Daimler AG für sich gewinnen.
Koll: Richtig, nach einem harten Jahr wie 2018 war der Gewinn des Daimler-Etats natürlich ein wahrer Motivationsschub für das gesamte Team. Die Zusammenarbeit mit Daimler ist hervorragend, und wir können wohl behaupten, dass beide Seiten verliebt ineinander sind (lacht). Gerade im Automobilbereich punkten wir als Agentur, da wir das nötige Zusammenspiel von Online und Offline verstehen. Schließlich passieren Testfahrten mit einem Auto nicht im Internet, sondern in der realen Welt, daher ist es unbedingt nötig, die digital generierten Insights optimal für die klassische Werbung zu nutzen und auch umgekehrt.

medianet:
Sie präferieren also weder online noch offline?
Anja Hettesheimer: Nein, für uns gibt es kein Entweder-oder. Für uns steht das Zusammenspiel der einzelnen Medien im Fokus. Ein Kunde/Konsument ist nicht nur online oder nur offline unterwegs und unterscheidet auch nicht, wo und woher er welche Information bekommen hat. Wir müssen also die Bedürfnisse des Kunden in den Vordergrund stellen, um ihm kanalübergreifend die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort auszuspielen zu können. Ein tolles Beispiel ist unser Kunde Zalando. Er ist online zu Hause, dennoch schafft man Awareness, indem man sich auch in den klassischen Medien präsentiert. Es geht einfach um die Balance zwischen Massen- und one-to-one-Kommunikation.

medianet:
Das Jahr 2018 war für unterschiedliche Mediengattungen ein eher stagnierendes Jahr. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Koll: 2018, aber vor allem 2019 sind die Volumina zurückgegangen und seither versucht der Markt, herauszufinden, was die Gründe hierfür sind. Es wäre zu leicht, zu behaupten, dass Google und Co. alle Spendings einheimsen konnten und die Budgets allein zu den Onlineriesen abgewandert sind. Die Ursachenfindung wird wohl noch länger dauern, doch haben natürlich die sehr zurückhaltenden Wachstumsprognosen einen großen Einfluss auf das Investitionsverhalten.

medianet:
Print ist nicht tot, die TV-Quoten fallen, und das Internet erlebt einen Hangover – was ist Ihre Antwort auf all diese Entwicklungen?
Hettesheimer: Diese Verschiebungen wird es immer geben, da die Medienauswahl natürlich stark von den Zielsetzungen der Kampagnen abhängt. Jetzt daraufhin ein Medium für ‚tot' zu erklären, ist übertrieben und auch nicht angebracht. Natürlich hat sich das Mediennutzungsverhalten in den letzten Jahren massiv verändert und daher ist es für Vermarkter auch so wichtig, sich crossmedial aufzustellen. In Bezug auf Online ist tatsächlich die Beschreibung ‚Hangover' absolut angebracht, denn der Konsument wird mit Botschaften bombardiert und kann sich kaum an gesehene Werbung erinnern. Es ist daher in unser aller Interesse, dass Online-Werbung wieder sichtbarer, interessanter, aber vor allem relevanter wird.

medianet:
Was waren die großen Herausforderungen der vergangenen beiden Jahre in Ihrem Job?
Koll: Die zunehmende Komplexität und Fragmentierung, die natürlich durch datengestütztes Marketing und userzentrierte Planungsansätze getrieben wird. Hier sitzen wir jedoch alle, Agenturen, Kunden und Vermarkter, in einem Boot und die Herausforderung ist, dass wir grundsätzlich eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen allen Parteien definieren und leben müssen. Programmatic, Audience-Segmentation, Data Management-Plattformen und dynamische Werbemittel via DCO verändern grundlegend die Art und Weise, wie Kampagnen geplant und gesteuert werden. Auf Agenturseite bedeutet das, dass wir konsequent unser Service-Angebot anpassen müssen und unser Portfolio um z.B. die Bereiche Data Analytics, Technology Developer erweitern und in die entsprechenden Teams integrieren mussten. Denn nur so können wir auf die veränderten Bedürfnisse unser Kunde eingehen.

medianet:
Ein Trend hierzulande ist sicherlich auch, dass sich Mediaagenturen immer breiter aufstellen. Kreations-Units werden gebildet oder ganze Kreativagenturen aufgekauft. Wie sehen Sie diesen Trend?
Koll: Es wäre fatal, diesem Trend nicht zu folgen. In dieser fragmentierten Medienlandschaft muss man sich breit aufstellen.

Jedoch planen wir nicht, die Rolle von klassischen Kreativagenturen einzunehmen. Es geht vielmehr darum, unsere durch das Online-Nutzungsverhalten generierten Insights zu nutzen, um unsere Werbebotschaften entsprechend anzupassen, um somit aktiv die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Hier reden wir aber nicht zwingend von zwei bis drei Online-Bannern, die zum Einsatz kommen, sondern von Hunderten, die natürlich nicht im klassischen Sinne hergestellt werden, sondern automatisiert innerhalb unserer Plattform erstellt und auf Basis der Interaktion mit den Usern dynamisch optimiert werden.


medianet:
Was wird das Jahr 2019 bringen?
Koll: Mediaaussteuerung in Echtzeit kann nicht nur erheblich präziser sein, sondern liefert – ein geeignetes Tracking vorausgesetzt – hervorragende Insights für das ganze Marketing. Diese Insights angemessen zu verdichten, aufzubereiten und real-time darzustellen, wird in 2019 für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein.

Daher investieren wir sehr viel Zeit und Geld in unsere personenbasierte Precision-Marketing- und Insights-Plattform Omni. Diese verändert die Art und Weise, wie unsere Teams zusammenarbeiten und Werte schaffen, indem es eine einheitliche Sicht auf den Verbraucher – von der Erkenntnisgewinnung, über die Zielgruppenbildung, die Channel-Planung, die Content- Inspiration und die Distribution von Botschaften – bietet. (gs)

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