Leise gleitet er übers Wasser, der Ruderachter. Die Ruderer schieben sich langsam Richtung Heck, sie schleichen förmlich bis zum Anschlag – bloß keinen Ruck verursachen. In der maximalen Spannung angelangt, stechen sie die Riemen ins Wasser, sie ziehen durch. Wieder wird Richtung Heck gerollt. Der „Maschinenraum” tut es dem Schlagmann gleich. Perfekte Synchronisation! Der Steuermann behält die Gegner im Auge, die gleichauf liegen oder sogar etwas schneller sind. Das Ruder fest in der Hand, visiert er direkt das Ziel an und hält das Boot auf Kurs. Schließlich gibt er dem Schlagmann das Zeichen, das Tempo zu erhöhen. Alle gehen im Takt mit; angefeuert durch den Steuerling, zieht der Achter an den Gegnern vorbei. Erster! Mit einer halben Bootslänge Vorsprung erfüllt er sich den Traum vom Olympiagold.
Non-Profit-Organisationen (NPOs) haben mit so einem Achter einiges gemeinsam: Sie sind überdurchschnittlich erfolgreich, insbesondere bei der Motivation ihrer Mitarbeiter. Spielerisch leicht scheinen beide ihre Ziele zu erreichen. Alle ziehen an einem Strang. Keiner springt ab, auch wenn es anstrengend wird. Das unterscheidet die Ruderer und NPO-Mitarbeiter von den Menschen, die in „normalen” Unternehmen arbeiten. Im Vergleich sind die Menschen in NPOs häufig zufriedener. Doch woran liegt das? Auf finanzielle Anreize wird weder bei NPOs noch im Boot gesetzt. Das „Geheimnis” sind: die Vision, die Zeitbegrenzung, Raum für persönliche Weiterentwicklung und unbegrenzte Unterstützung. Heute geht es darum, wie Organisationcoaching dabei hilft, diese Faktoren wirkungsvoll im Unternehmen einzusetzen, sodass auch dort Leichtigkeit und Leis-tung Hand in Hand gehen können.
Darum Organisationscoaching
In vielen Unternehmen sind Coachings wenn überhaupt Einzelmaßnahmen; nur eine oder wenige einzelne Leistungsträger werden isoliert gefördert. Natürlich verbessert das die Abläufe, aber nur punktuell. So, als würde man immer lediglich den Taktiker, also den Steuermann im Ruderboot, nie aber den Schlagmann oder die anderen Ruderer coachen. Selbst wenn solch ein Boot tatsächlich vorwärtskommen sollte, wirklich schnell würde es nicht werden. Ein Organisationscoaching setzt an allen erforderlichen Stellen des Firmenorganismus an. Nicht nur quantitativ bei der Anzahl der gecoachten Mitarbeiter, auch qualitativ werden mehrere Schnittstellen von mehreren Coachs auf ein bestimmtes Abteilungs-, Bereichs- oder Unternehmensziel hin gecoacht. Das ist mehr als ein einfaches Teamcoaching: Beim Organisationscoaching werden die Ziele sehr konkret formuliert. Außerdem ist es entscheidend, die Schlüsselpersonen zu finden, bei denen die Fäden des Unternehmens so zusammenlaufen, dass sie mit ihrem Einfluss den ganzen Apparat nach vorn bringen können. Das schließt klassische Team- und Gruppencoachings als Bestandteil des Maßnahmenpakets nicht aus, wenn die Ziele es erfordern.
Alles beginnt mit der Vision
Jeder, der sich in NPOs engagiert, macht das nicht des Geldes wegen, sondern wegen der Idee der Organisation. Schließlich ist niemand gezwungen, für eine NPO zu arbeiten. Dass Ideen motivieren, wissen auch gewinnorientierte Unternehmen. Nahezu alle haben heutzutage sogenannte Mission Statements definiert oder sprechen von ihrer Unternehmensvision. Nur leider bleibt es oft bei bedrucktem Papier. Die Visionen werden nicht konsequent gelebt und umgesetzt.
Bereits an diesen Punkten ist die enge Zusammenarbeit eines Unternehmens mit seinem Coaching-Stab wichtig. So gelingt es, aus Unternehmensherausforderungen zuerst Unternehmensziele und dann persönliche Ziele zu machen, die tatsächlich angestrebt werden. Ähnlich wie bei NPOs sollten die Ziele und die Vision des Unternehmens nicht leicht zu erreichen sein: erstrebenswert, herausfordernd, gerade noch realisierbar – das motiviert. Dabei erlaubt die Erfahrung versierter Coachs eine zügige und zielsichere Erkennung der blinden Flecken jedes Einzelnen und macht eine dezidierte Planung der individuellen Begleitung möglich. Der zeitlich eng abgesteckte Rahmen zum Erreichen eines Ziels verleiht diesem hohe Priorität – sichtbar für alle Mitarbeiter. Das spornt an. Denn nichts ist demotivierender, als eine Aufgabe, deren Ergebnis irgendwann eingereicht werden kann. Ist etwas wichtig, gibt es auch einen Termin, zu dem es fertig sein muss. Auch die Ziele, die im Coaching definiert werden, wollen in einem bestimmten Zeitrahmen umgesetzt werden. Das schließt die Einteilung in Etappenziele gerade bei großen Maßnahmen nicht aus – im Gegenteil.
Weiterentwicklungs-Wunsch
So wie Sportler, die sich in Wettkämpfen messen oder immer wieder neue Rekorde aufstellen möchten, streben auch alle anderen Menschen danach, sich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Ist die Möglichkeit dazu im Job gegeben, steigt die Motivation. NPOs zeigen, dass das Prinzip der persönlichen Weiterentwicklung wirkt. Sie führen es sogar an sein Maximum, indem ein Mensch, der eine neue Position einnimmt, weniger die einschlägige Vorerfahrung dazu braucht; vielmehr ist es der Wille, der zählt. Allerdings gehen die NPOs dabei nicht getreu dem Motto „Friss oder stirb” vor. Alle erhalten jederzeit Hilfe und können sich der Unterstützung der anderen Mitarbeiter gewiss sein. Es wird an einem Strang gezogen, um das Ziel zu erreichen.
Diese Motivationsquelle wird von gewinnorientierten Unternehmen wohl am meisten unterschätzt. Vielleicht liegt es daran, dass die jährlichen Gehaltsverhandlungen und die finanziellen Anreize, die mit Beförderungen und Jahresendboni einhergehen, die größte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dass die Mitarbeiter nach Weiterentwicklung dürsten, sollte man viel stärker nutzen. Gerade um die festgesteckten Ziele erreichen zu können, mangelt es oftmals noch an Fähigkeiten und Schlüsselkompetenzen. Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden?
Leichtigkeit in Unternehmen
Im gecoachten Unternehmen geschieht eine Weiterentwicklung nach Plan. Ähnlich wie beim Rudern steigert jeder Einzelne sich nicht willkürlich irgendwie, sondern wird leistungsfähiger im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel des Unternehmens und im Zusammenspiel mit anderen. So werden die Mitarbeiter (wie die Einzelruderer) individuell besser und verbinden sich harmonisch mit den anderen zu einem Team, das im Takt sanft übers Wasser gleitet. Die zählbaren Ergebnisse stellen sich unweigerlich ein. Das klingt zunächst nach einer Utopie. Umso faszinierender ist es, zu sehen, wie eine scharfe Analyse über belastbare Planung und konsequente Umsetzung zu genau diesem Ziel von Leistung und Leichtigkeit führt. Leichtigkeit gibt es allerdings nicht umsonst: Menschen, Teams und Organisationen brauchen immer eine kleine Reserve, damit sie auf das aktuelle Leistungsniveau noch ein wenig Leichtigkeit draufpacken können. Dazu ist ein Umdenken nötig: Wer bis über beide Ohren, voll mit Arbeit, unter Stress steht, hat keinen Spielraum mehr, um Leichtigkeit im Team zu erarbeiten. Es besteht jedoch kein Grund zur Sorge: Eine Geschäftsleitung, die Entlastungen gewährt, erhält diese Investition mit Zins und Zinseszins zurück.
Wiederholen macht’s leicht
Im weiteren Verlauf sind zielführende Übungen zentraler Bestandteil von Leistung und Leichtigkeit, denn Menschen lernen über Wiederholung. Nur wer regelmäßig und einem Plan folgend die definierten Schlüsselkompetenzen einübt, verankert sie dauerhaft im Verhalten. Mit diesem Plan wird jeder Leistungsträger individuell zu seinem persönlichen Ziel geführt. Aus der übergeordneten, kollektiven Qualitätszielrichtung folgt die individuelle, und das Zusammenspiel aller bringt den wachsenden Erfolg durch Leistung mit Leichtigkeit.
Steigende Motivation, weniger stressbedingter Krankenstand und mehr Leistungsfähigkeit des Einzelnen und des gesamten Unternehmens – Leistung und Leichtigkeit gehören ganz natürlich zusammen und sind so keine Widersprüche mehr. Am Ende kann ein gecoachtes Unternehmen, dass es in Sachen Zielorientiertheit, Zeitbegrenzung, persönlicher Weiterentwicklung und Teamgeist den NPOs gleichtut, seine Mitbewerber mit einer halben oder sogar ganzen Bootslänge Vorsprung nach Hause schicken und nebenbei seine Kunden mit Leichtigkeit und Leistung begeistern.
Thomas Schulte, ehemaliger Banker und Unternehmensberater, coacht mit seinem Unternehmen heute ganze Organisationen und ihre Mitarbeiter. Sein Wissen lässt sich auch nachlesen; z.B. in „Leis-tung und Leichtigkeit – das wahre Potenzial von Organisationen”, das bei Springer/Gabler im April 2015 erschienen ist.
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