••• Von Andre Exner
WIEN. Abgerechnet wird am 31. Dezember: Im Immobiliengeschäft ist traditionell das Schlussquartal das stärkste. Auch auf dem Wiener Büromarkt gilt diese Devise, sagt Thomas Schanda, Leiter Market Research beim führenden Immobiliendienstleister EHL Immobilien: „Für 2017 rechnen wir mit einem spannenden Schlussquartal und prognostizieren so aktuell eine Vermietungsleistung von 200.000 Quadratmetern.”
Das wäre um ein Drittel weniger als 2016 (siehe Tabelle). Denn der Konjunkturmotor läuft zwar auf Hochtouren, was für eine höhere Vermietungsleistung sprechen müsste – das Bruttoinlandsprodukt soll laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo heuer und auch 2018 um 2,8 Prozent wachsen. Doch viele Gebietskörperschaften und andere staatsnahe Institutionen haben ihre Standort-Entscheidungen laut EHL auf die Zeit nach den Nationalratswahlen verlagert. Und auch die Privatwirtschaft wartet ab: Viele bereits weit fortgeschrittene Vertragsverhandlungen mit privaten Großmietern können erst zu Beginn 2018 finalisiert werden. „Der quantitative Anstieg der Vermietungsleistung wird sich auch 2018 bemerkbar machen”, bleibt Schanda daher optimistisch, das Momentum der zweiten Jahreshälfte in das neue Jahr mitnehmen zu können.
Toplagen werten weiter auf
Der Trend zur Konzentration auf die etablierten und gut erschlossenen Bürocluster wird sich auch 2018 weiter fortsetzen, erwartet EHL: Bereits in den vergangenen Jahren war ein starker Nachfrageüberhang an den beliebtesten Standorten feststellbar. Am Hauptbahnhof, aber auch im Bereich zwischen den U-Bahn-Linien U1 und U2 vom Praterstern bis hin zu Lassallestraße und Messe Wien wurden viele moderne Bürogebäude errichtet, die stark als Headquarter nachgefragt werden. So zieht die Bawag an den Hauptbahnhof um, während die Bank Austria ihre neue Zentrale am Praterstern errichtet.
„Die hier bei Neuvermietungen erzielbaren Mieten werden sich mittelfristig in steigenden Durchschnittsmieten am Wiener Büromarkt niederschlagen”, erwartet Stefan Wernhart, Leiter des Bereichs Büroimmobilien bei EHL. Derzeit liegen die Durchschnittsmieten bei 14,30 € pro Quadratmeter im Monat; an den genannten Hotspots liegen die Angebote mit zwischen 15 € und 22 € pro m2 im Monat deutlich darüber.
Bei den Spitzenmieten (siehe Zahl) ist über die kommenden Jahre ein leichter Rückgang zu erwarten: Die höchsten Mieten werden vor allem in prestigeträchtigen Lagen im ersten Bezirk gezahlt; dort wird das Angebot aber nach und nach vom Markt absorbiert, und derzeit sind keine größeren Büroprojekte geplant. Mit gutem Grund: Wer eine Immobilie mit großen Freiflächen im ersten Bezirk sein Eigen nennt, errichtet dort lieber Eigentumswohnungen, die um 10.000 € und mehr pro m2 verkauft werden können.
Der Boom am Wohnungsmarkt macht sich am Büromarkt auch außerhalb der City bemerkbar: Nicht mehr benötigte Bürohäuser weichen meist Wohnbauten. Die Leerstandsrate am Büromarkt ist damit heuer um 0,2 Prozentpunkte zurückgegangen und betrug am Ende des dritten Quartals nur mehr 5,3 Prozent.
Flexible Büros gesucht
Ein gänzlich neuer Trend ist der zu flexiblen Büros, vor allem weil die Start-up-Szene boomt: „Co-Working-Space-Betreiber zeigen intensives Interesse an neuen Standorten in Wien und erweitern damit das konventionelle Büroflächenangebot für die Nutzer”, weiß Wernhart. Speziell gefragt sind dabei hochwertige Gebäude in zentralen, urbanen Lagen. So hat Regus, der Weltmarktführer bei flexiblen Bürolösungen, zuletzt neben Graz auch in Wien ausgebaut – an einem der genannten Hotspots, direkt bei der Messe Wien.