Dynamic Pricing, moderne Logistik und very big Data
RETAIL fritz weber 20.02.2015

Dynamic Pricing, moderne Logistik und very big Data

Smart Business Amazon hat neue Maßstäbe im Umgang mit Big Data, in der Preisgestaltung und der Logistik gesetzt

Die Marktmacht des US-Versandhändlers steigt stetig, nicht zuletzt dank der Menge an Kundendaten.

Wien. Wohl kaum ein Handels-unternehmen ist in so kurzer Zeit so riesig geworden wie dieses: Mit einem Umsatz von 60 Mrd. Euro zählt Amazon heute zu den ganz Großen der retail-Branche. Das Versandunternehmen ist nicht nur einer der bedeutendsten Handelsfirmen der Welt: Nach Google und YouTube ist es auch die drittgrößte Suchmaschine im Internet.

Auch hierzulande ist Amazon der weitaus größte Onlinehändler von allen. Länderspezifische Zahlen gibt das Unternehmen keine bekannt. Vom EHI Retail Institute gibt es eine Schätzung eines Jahresumsatzes von über 340 Mio. € für amazon.at. Dann kommt lange nichts und irgendwann universal.at mit 107 Mio. € Umsatz. Was macht Amazon so stark? Und was kann sich der konventionelle Handel vom US-Riesen abschauen?

Die Datensammel-Maschine

„Amazon versteht es auf brillante Art und Weise, aus seinen verfügbaren Daten herauszulesen, woher die Kunden kommen, wer sie sind und was sie wollen”, erklärt Simon Hathaway, Head of Retail Experience der Werbeagentur Cheil. Kaum ein (wirtschaft-liches) Unternehmen verfügt über so einen riesigen Datenhaufen – der in gewisser Weise mehr bringt als jener von Google. Denn Amazon weiß noch besser darüber Bescheid, was seine Kunden einkaufen. Die Firma weiß, was sie lesen (Bücherkauf, Kindle), was sie sehen (Prime-Mitgliedschaft, Filme und Seriendatenbank) und, sofern sich das Amazon Smartphone (Fire Phone) verkauft, möglicherweise auch noch, was sie damit alles anstellen. Dadurch kann er sie noch besser mit sogenannten Target Marketing-Aktionen, ergo maßgeschneiderten Werbung, versorgen. Ein Gerät, das dem Händler noch genauere Infos über seine Kunden bescheren soll, wird in Bälde in den USA verkauft. Amazon Echo, ein zuhörender, intelligenter, sprechender Lautsprecher fürs Wohnzimmer, kann viele Dinge: Auf Abruf Fragen beantworten, indem es im Internet recherchiert, oder die gewünschte Musik abspielen und Einkaufslisten zusammenstellen. Der Apparat, der auf den Namen Alexa hört, ist mit den Servern von Amazon verbunden – womit das Unternehmen theoretisch alles mithören kann, was in einem Haushalt passiert, sprich: noch mehr wertvolle Daten sammeln kann. Allerdings wird Echo erst einmal in den USA getestet und ist zunächst nur in englischer Sprache programmiert. Falls er überhaupt hierzulande angeboten werden sollte, dürfte es dann noch eine Weile dauern.

Intelligente Preisgestaltung

Wo Amazon auch in der ersten Liga auf den vorderen Plätzen mitspielt, ist die Preisgestaltung. Dank intelligent pricing-Programmen ist der Händler in der Lage, ein Produkt zu beinahe jeder Zeit zum optimalen Preis anzubieten. Die Software beobachtet die Preise des Mitbewerbs (und weitere Aspekte wie den Lagerstand), errechnet den vergleichsweise günstigsten Preis und setzt ihn online – womit sich der Händler den Ruf erarbeitet hat, Ware stets zum „besten” Preis anzubieten. Dabei nimmt das Unternehmen am Tag 2,5 Mio. Preisänderungen vor, wie eine Untersuchung eines amerikanischen Marktforschers von vor zwei Jahren errechnete. Was mit „bestem” Preis gemeint ist, ist relativ: Im Allgemeinen schaut Amazon darauf, stets günstiger zu sein als die Konkurrenz. Im Speziellen hilft dynamic pricing natürlich auch dabei, all jene Produkte auszumachen, bei denen Kunden weniger preissensibel sind. Dort kann der Preis auomatisch angehoben und die Spanne verbessert werden.

Der Kunde hat immer recht

Auch in der Logistik geht das Unternehmen besondere Wege: Es arbeitet mit einem selbst entworfenen Lagerverwaltungs-system, das auf den ersten Blick chaotisch, dafür aber effizient arbeitet. Dabei werden Waren in der Halle dort abgestellt, wo gerade Platz ist. Das System registriert den Ort und gleicht ihn mit der Position der Kommissionäre im Raum ab. Am Ende wird der Auftrag dem Kommissonär zugeteilt, der die geringsten Laufwege zurückzulegen hat; das spart Zeit und Kosten. Was die Zustellung betrifft, gibt es, sofern die Ware lagernd ist, in der Regel keine langen Wartezeiten. In dem Belang kann sich Amazon einige Pluspunkte in Sachen Kundenzufriedenheit holen, wobei die allgemein eine große Rolle spielt. Denn im Zweifelsfall stellt sich das Unternehmen immer auf die Seite des Kunden, wie Firmenchef Jeff Bezos nicht müde wird zu betonen. Das geht bekanntlich auf Kosten der Zuliefererbetriebe und der Mitarbeiter. Und: Trotz traumhafter Umsatzzuwächse schafft es Amazon zumindest in seiner Handelssparte nur schwerlich, gewinnbringend zu wirtschaften. Ob diese Strategie langfristig funktioniert, muss sich erst weisen.

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