Rainer Will fordert: Plattformen müssen haften
© APA/DPA/Hannes P. Albert
RETAIL Redaktion 26.08.2025

Rainer Will fordert: Plattformen müssen haften

WIEN. Online-Marktplätze aus Fernost wie Temu, Shein oder AliExpress überschwemmen den europäischen Markt mit Billigwaren – und umgehen dabei zentrale Regeln. „Wir reden hier nicht von Einzelfällen, sondern von einem kriminellen Massenphänomen“, warnt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Produkte seien oft falsch deklariert, enthielten giftige Stoffe oder entsprächen nicht den EU-Normen.
Die Dimension ist enorm: 2024 strömten 4,6 Milliarden Kleinstpakete unter 150 Euro Warenwert weitgehend ungeprüft in die EU. Temu wuchs im Mai um 63 Prozent, Shein um 19 Prozent. „Das untergräbt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit unserer Händler, sondern auch Gesundheit und Umweltschutz. Dahinter steckt eine klare wirtschaftspolitische Agenda Chinas“, so Will.

Besonders kritisch sieht er den geplanten Einstieg von Temu in den Lebensmittelhandel. „Das ist ein Alarmschrei. Es geht um Frische, Hygiene und kritische Infrastruktur. Wenn eine Plattform ohne Lager und mit undurchsichtigen Lieferketten hier Fuß fassen will, riskieren wir die Sicherheit unserer Lebensmittelversorgung.“

Will fordert deshalb fünf Schritte: Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze, eine Bearbeitungsgebühr pro Paket, mehr Personal für die Zollbehörden, temporäre Sperren bei Verstößen – und als sofortige Maßnahme die Plattformhaftung für korrekte Warendeklaration. „Online-Marktplätze müssen wie Importeure behandelt werden. Es ist absurd, dass sie Millionen Produkte vermitteln, aber keinerlei Verantwortung tragen.“

Beispiele für wirksame Regulierung gebe es bereits: Seit 2023 haften Plattformen in Österreich für die Verpackungsentpflichtung. Will sieht darin ein Modell für weitere Bereiche. „Wenn du in Europa verkaufst, musst du dich auch an unsere Spielregeln halten.“

Unterstützung bekommt der Handelsverband von NGOs wie Greenpeace, die vor den ökologischen Folgen warnen. Tests zeigen: 90 Prozent der Produkte auf Fernost-Plattformen verstoßen gegen EU-Normen. Spielzeuge von Temu enthielten teils 11-mal mehr Bor als erlaubt, Schuhe von Shein 229-mal mehr Weichmacher.

Für Will steht fest: „Diese Billigstpreise sind eine Illusion. Am Ende zahlt jemand anderer – die Umwelt, die heimischen Händler, unsere Kinder. Wenn wir nicht handeln, stehen wir in wenigen Jahren vor leeren Innenstädten, mehr Müllbergen und einem massiven Vertrauensverlust in den Rechtsstaat. Wir brauchen jetzt mutige Maßnahmen.“

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