Angesichts einer anhaltend hohen Inflation, durchwachsener Konjunkturaussichten, hoher Energiepreise und erheblicher geopolitischer Spannungen schieben immer mehr Unternehmen weltweit geplante Großinvestitionen auf (40 %) und passen ihre Lieferketten an (40 %). Zudem planen immer mehr Unternehmen, Betriebsstätten zu verlagern: 37 Prozent verfolgen laut eigenen Angaben entsprechende Pläne. Als Hauptgründe für diese Maßnahmen werden vor allem die zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft (24 %) und Handelsbeschränkungen (17 %) genannt.
Keine Einsparungen vornehmen wollen die Unternehmen aber offenbar bei Investitionen in Künstliche Intelligenz: Weltweit haben bereits 43 Prozent der Unternehmen in KI investiert, weitere 45 Prozent planen derartige Ausgaben. Gerade einmal zwölf Prozent der weltweit befragten Unternehmenslenker sind der Meinung, ohne KI-Innovationen auskommen zu können.
Das sind Ergebnisse des aktuellen CEO-Survey der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Basis der Studie ist eine Umfrage unter 1.200 Vorstandsvorsitzenden in Großunternehmen weltweit.
Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich, dazu: „Einerseits steigt der Kostendruck, viele Unternehmen leiden unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen, einer unbefriedigenden Auftragslage und einer sinkenden Kauflaune. Anderseits gibt es eine enorme Dynamik bei der Transformation in Richtung Digitalisierung, die aktuell durch den KI-Boom nochmal massiv beschleunigt wird. Für viele Unternehmen heißt das: Sie müssen einen konsequenten Sparkurs einschlagen, um in der Lage zu sein, an den entscheidenden Stellen kräftig zu investieren.“
Reimoser rät Unternehmen, die Auswirkungen der Möglichkeiten, die sich durch Künstliche Intelligenz ergeben, nicht zu unterschätzen: „KI-Technologien haben enorme Potenziale: Mit KI können drastische Fortschritte bei der Automatisierung und Effizienzsteigerung, aber auch in Forschung und Entwicklung sowie bei der Kundenansprache erzielt werden.“ Die Anstrengungen vieler Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle zu transformieren, werden durch diese Technologie beschleunigt: „Die Transformation gewinnt jetzt an Kraft und Geschwindigkeit. Für das Top-Management geht es daher darum, heute die Weichen richtig zu stellen, von dieser Jahrhunderttechnologie zu profitieren und nicht ins Abseits zu geraten. Daher wurden zuletzt in vielen Unternehmen sehr ambitionierte KI-Projekte gestartet – trotz des massiven Kostendrucks.“
Zu- und Verkäufe geraten wieder in den Fokus
Die neue Dynamik zeigt sich auch bei den M&A-Plänen der Unternehmen. Während Verlagerungen an günstigere Produktionsstandorte wieder ganz oben auf der Agenda stehen und nicht unbedingt notwendige Investitionen verschoben oder ganz gestoppt werden, sollen Zu- und Verkäufe von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen für zusätzliche Agilität sorgen: Weltweit stieg der Anteil der Unternehmen, die Fusionen oder Übernahmen planen, im Vergleich zum Jahresbeginn von 46 auf 59 Prozent.
„Wir werden in den kommenden Monaten zahlreiche Unternehmenstransaktionen sehen, bei denen es entweder darum geht, flexibler und schlagkräftiger zu werden oder das Geschäftsmodell an neue Rahmenbedingungen anzupassen und ‚wetterfest‘ zu machen“, erwartet Reimoser. Auch hier sieht er KI als Katalysator für zunehmende Aktivitäten: „Das Thema KI hat an den Weltbörsen bereits für erhebliche Kurssteigerungen gesorgt und wird auch weiterhin die Kapital- und Transaktionsmärkte beschäftigen: Technologieunternehmen mit entsprechendem Know-how sind äußerst gefragt, und Unternehmen, die Nachholbedarf haben, schauen sich nach attraktiven Zielunternehmen um.“
Ein Drittel der Unternehmen plant keine Investitionen in Nachhaltigkeit
Während sich die Wirtschaftswelt in Richtung KI positioniert und einen neuen Digitalisierungsschub erwartet, droht das andere große Transformationsthema – Nachhaltigkeit – in den Hintergrund zu rücken: Weltweit geben nur 16 Prozent der Unternehmen an, dass Nachhaltigkeitsinitiativen im Mittelpunkt ihrer Investitionsstrategien stehen und dafür erhebliche Ressourcen aufgewendet werden. Für weitere 22 Prozent der Unternehmen ist Nachhaltigkeit einer von mehreren Bereichen, in denen prioritär investiert wird. 34 Prozent der weltweit befragten Unternehmen sehen keine Notwendigkeit, für einen Umbau in Richtung Nachhaltigkeit zu investieren.
Reimoser warnt, dass Nachhaltigkeit angesichts anderer Herausforderungen und strategischer Schwerpunkte nicht in den Hintergrund treten dürfe: „Eine stringente Nachhaltigkeitsstrategie ist kein ‚Nice to Have‘ für gute Zeiten, sondern für die meisten Unternehmen überlebenswichtig. Wer sein Geschäftsmodell nicht auf Nachhaltigkeit hin überprüft und optimiert, droht, massiv abgestraft zu werden und sogar den Zugang zu günstigem Fremdkapital zu verlieren.“
Für Reimoser sind die beiden Transformationsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung untrennbar verbunden. „Beide Trends haben einen so umfassenden Einfluss auf die gesamte Wertschöpfung und das wirtschaftliche Umfeld, dass kein Unternehmen hier an der Seitenlinie stehen kann – auch nicht in Zeiten einer Konjunkturflaute.“