Zwischen Aufschwung und Personalmangel
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RETAIL Redaktion 27.01.2023

Zwischen Aufschwung und Personalmangel

„2023 wird herausfordernd, aber wir bleiben zuversichtlich”, so der Ausblick von HV-Geschäftsführer Rainer Will.

••• Von Paul Hafner

Alpay Güner, seit März 2022 Vorsitzender der Geschäftsführung von MediaMarkt Österreich, macht bei der Neujahrs-Pressekonferenz des Handelsverbands kein Hehl aus seiner Erleichterung: „Im Sommer hätte ich Ihnen ein düsteres Bild gezeichnet – doch am Ende des Jahres stehen wir in Sachen Wachstum inflationsbereinigt bei einer roten Null. Und damit bin ich sehr, sehr happy.”

Es sei „ganz klar” zu sehen gewesen, dass die Österreicher „sehr selbstbewusst weiterkonsumiert” hätten und sich ihre Konsumlaune auch nicht „von der medialen Angst und den vielen Unsicherheitsfaktoren” trüben haben lassen. Von eitel Wonne kann dennoch keine Rede sein: Neben dem Management explodierender Kosten sei insbesondere der Ausblick in Sachen Fachkräftemangel „sehr negativ”. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum abertausende Stellen trotz „attraktiver Gehälter” offen blieben.
„Arbeit muss sich lohnen”, sagt Güner – im bestehenden System könne man „relativ leicht das Gleiche verdienen, wie wenn man nichts arbeitet.” Es bedürfe daher einer Arbeitsmarktreform.

Qualifiziertes Personal ist rar

Prinzipiell positiv gestimmt ist auch Karin Saey, Leitung Handel und Prokuristin beim Dorotheum: Man habe das Jahr „deutlich positiv abgeschlossen”, kämpfe aber ebenfalls mit einem Mangel an Fachkräften. „Beratungsintensive Jobs verlangen nach qualifizierten Mitarbeitern – und die sind branchenübergreifend schwer zu finden.” Eine Stellschraube, an der man drehen könne bzw. müsse, sei die Vollzeitquote bei Frauen (mehr dazu auf Seite 64).

Unfreiwillig im Ruhestand

„Beim Arbeitskräftemangel gäbe es eine rasche Entlastung, wenn wir den Menschen in der Pension eine lohnnebenkostenentlastende Möglichkeit geben, etwas dazuverdienen zu können”, bringt Ernst Mayr, Geschäftsführer von Fussl Modestraße, Anreize für Pensionisten ins Spiel. „Das würde auch Mehreinnahmen für den Staat bringen und für die erfahrenen Mitarbeiter einen gleitenden Übergang in die Pension ermöglichen – eine Win-Win-Win-Situation.” Viele seiner Mitarbeiter hätten ihre prinzipielle Lust auf eine Fortsetzung dazu ausgedrückt, doch mache die gegenwärtige Gesetzgebung das Arbeiten in der Pension „sehr unattraktiv”.

Neben Schritten zur Angleichung „des faktischen an das gesetzliche Pensionsantrittsalter” setzt sich HV-Geschäftsführer Rainer Will für den „gänzlichen Entfall der Beitragspflicht zur Pensionsversicherung ab dem Regelpensionsalter” ein, „um auch hier stärkere Erwerbsanreize zu bieten”.
Hinzu komme: Österreich sei bei den Lohnnebenkosten EU-weit Nachzügler. Will: „Kaum wo in Europa zahlen Unternehmen so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es den Angestellten selbst bleibt. Und abgesehen von Belgien und Spanien ist es in keinem anderen europäischen Land finanziell unattraktiver, seine Arbeitszeit auszuweiten, als in Österreich”, wie ein Vergleich der Agenda Austria zeige. „Wenn eine Teilzeitkraft die Wochenarbeitszeit um 50 Prozent ausweitet, steigt der Nettolohn in Österreich nur um 32,4 Prozent. In Schweden sind es hingegen bei gleicher Ausweitung 43,8 Prozent. Daher gilt es, den Faktor Arbeit zu entlasten – das ist das beste Investment in die Zukunft”, meint Will.

Inflation frisst Umsatzplus

Was die Jahresumsätze der Händler betrifft, sind diese zwar nominell um 6,3% gegenüber 2021 gestiegen, real (inflationsbereinigt) aber um ein Prozent gesunken – und bleiben somit weiter deutlich hinter 2019. An das Vorkrisenniveau herangekommen ist indes die Zahl der Insolvenzen: Der österreichische Handel verzeichnete 2022 rd. 900 Firmenpleiten und 6.000 Geschäftsschließungen.

Erstmals seit mehr als zehn Jahren nicht gewachsen ist der Onlinehandel, bei dem ein reales Umsatzminus von drei Prozent zu Buche steht; die einzelhandelsrelevanten Online-Ausgaben lagen 2022 bei 8,5 Mrd. €.

Das Schlimmste überstanden?

Für heuer ortet Will eine allgemeine Trendumkehr: „Auch 2023 wird für den Handel herausfordernd und anspruchsvoll, aber wir bleiben zuversichtlich. Spätestens im zweiten Halbjahr setzen wir auf eine Normalisierung des Preisniveaus, welche auf eine Aufschwungphase durch staatliche Kaufkraftmaßnahmen treffen könnte.” Für das Gesamtjahr würden 33% der österreichischen Händler eine Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr erwarten, rund ein weiteres Drittel gehe „zumindest davon aus, die Umsätze aus 2022 halten zu können.”

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