WIEN. „Die KI kann in fast allen Bereichen des Handels eingesetzt werden, allerdings ist derzeit das mögliche zukünftige Potenzial noch Kaffeesudlesen”, ist Markus Kuntke überzeugt. Er leitet den Bereich Trend und Innovation bei der Rewe International AG sowie den Circle „Omnichannel, Innovation & Startups” im Handelsverband.
Klar scheint für ihn, dass die Künstliche Intelligenz die in sie gesetzten Erwartungen gegenwärtig nicht zur Gänze erfüllen kann. Mit einem weit verbreiteten Vorurteil will er gleich eingangs aufräumen: „Die KI wird keine Arbeitsplätze wegrationalisieren. Es ist umgekehrt: Die Alterspyramide hat sich auf den Kopf gestellt, gerade deshalb müssen wir die Menschen, die im Handel arbeiten wollen, so einsetzen, dass sie sich um die Kunden kümmern.”
Offensichtlicher Einsatz
Ein Beispiel, wie KI demzufolge eingesetzt werden kann, sind redundante Prozesse, die keinen Menschen brauchen bzw. nicht komplex oder emotionalisiert sind. Eine weitere Einsatzmöglichkeit: Dienst- oder Urlaubspläne. Oder eine automatisierte Kassa, die die Produkte den Kunden zuordnet. Im nächsten Schritt können auch arbeitsrechtliche, interne Prozesse standardisiert werden; etwa: Wie viel Urlaubsanspruch habe ich, wenn ich am 1. März anfange zu arbeiten?
„Wenn es nicht um eine tiefere Beratung geht, können viele Prozesse einfach automatisiert werden”, so Kuntke. In weiterer Folge können auch Logistikabläufe noch weiter verfeinert, die Last Mile verbessert oder die Individualisierung im Marketing vorangetrieben werden: „In der Theorie ist das alles möglich, in der Praxis fehlen aber noch Entwicklungsschritte.”
Grenzen gegeben
Die Möglichkeiten des Einsatzes von Generative AI sind aber nicht unendlich. Die Europäische Union liefert nämlich mit dem AI Act durchaus Grenzen. „Begrüßenswert”, urteilt Kuntke. „Es gibt in Westeuropa eine große Technikskepsis, und am Ende geht es um den Konsumenten und sein Vertrauen in unser Handeln. Durch die EU-Vorgaben kann man Ängste nehmen.” Change-Prozesse, weiß der Experte, sind stets ein anspruchsvoller Vorgang.
Um Datensicherheit herzustellen und den tiefen Einblick in die Systeme zu bekommen, die es zur Problemlösung braucht, hat Rewe übrigens eine eigene, unabhängige technische Lösung gebaut. Dies ist seiner Ansicht nach auch für kleinere Unternehmen möglich.
Weg, was nervt
Am Ende steht der Kunde mit seiner Emotionalität im Fokus. Viele der Vorgänge, die die KI vereinfacht, sieht dieser gar nicht. Der Einkauf werde in keiner Weise zu einer reinen Produktpräsentation, gerade der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) erfülle als Begegnungsstätte für viele, vor allem ältere, Menschen so wichtige Funktionen: „Die Menschen kaufen ihre Lebensmittel im wortwörtlichen Sinn. Also braucht es Menschen, die helfen, beraten und zuhören.” Kuntke resümiert kantig, dass die KI letztlich „alles, was langweilig ist” aus dem Arbeitsalltag entfernen werde. „Aus meiner Sicht werden wir in Zukunft spannender arbeiten und uns mehr um die Kunden kümmern können.”