DOSSIERS
© Nah&Frisch

Redaktion 31.05.2019

Lokale Schätze beim Einkaufen

Was genau Nahversorgung mit demo­grafischem Wandel und lokalen ­Spezialitäten zu tun hat, diskutierte medianet-Heraus­geber Oliver Jonke mit Sachkundigen im Rahmen eines Experten-Round Tables.

Böse Zungen behaupten oft, Nahversorger seien nur für jene von Belang, die kein ­eigenes Auto und/oder keinen Führerschein (mehr) haben. Mobilität im ländlichen Raum ist zweifellos ein wichtiges Thema und leider zugleich auch ein zumeist ungelöstes Problem. Selbst wenn der eigene Fortpflanz gern Taxi für Mama und Papa spielen würde – die Wahrscheinlichkeit, dass die erforderlichen Chauffeurdienste mit des Fortpflanz’ Arbeits­zeiten in Einklang zu bringen sind, ist denkbar gering.

Und dann gibt es Gemeinden wie Rastenfeld: Im Waldviertel zwischen Gföhl und Zwettl gelegen, mit einem jungen, umtriebigen Bürgermeister, der die Gemeinden im Bereich Infrastruktur in der Pflicht sieht. Denn nicht alles könne der Wirtschaft „umgehängt” werden. Infrastruktur muss leben – und wenn das heißt, dass die Gemeinde ein bisserl weniger Miete verlangt, damit dem Betrieb ein bisserl mehr überbleibt, dann wird die Gemeinde davon nicht untergehen.
Paradebeispiel für solch eine Zusammenarbeit: das Nahversorgungszentrum in Rastenfeld. An die zehn Jahre wurde an dem Projekt „Nahversorger” in der Gemeinde gebastelt. Konzepte wurden ausgearbeitet, verworfen, neu entwickelt, verbessert und schließlich zum Ende gebracht – der Lebensmittelmarkt mit angeschlossenem Café „süß und frisch” und die Boutique „Mella Italia” haben in dem barrierefreien Gebäudekomplex bereits eröffnet, die Polizeiinspektion und die Zahnarztpraxis folgen noch.
Ganz klar war für die Gemeinde, dass regionale und bei Verfügbarkeit lokale Produkte im Vordergrund des Lebensmittelmarktes stehen sollten – das wollten oder konnten „die zwei Großen mit den vier Buchstaben” nicht, mit Nah&Frisch fand man den perfekten Partner.

Lokal ist besser als regional

Und dieser perfekte Partner hat eine andere Unternehmensphilosophie als der Mitbewerb – dafür, dass lokale Produzenten und Betriebe gefördert werden, wird schon mal auf den Umsatz der Nah&Frisch Großhändler verzichtet. Da wird dann nicht nur der Honig, Marke „den-den-eh-alle-haben”, zum Verkauf angeboten, sondern auch der Honig der lokalen Bienen resp. des lokalen Imkers.

Diese Philosophie lässt sich natürlich auf fast alle Produkte oder Produktgruppen umlegen und bringt für alle Beteiligten Vorteile: Die Kundschaft kann sich ihre Ab-Hof-Verkaufstour sparen, denn sie findet „ihre” lokalen Schätze an einem Ort. Die Kauffrau bzw. der Kaufmann genießen ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zum Mitbewerb, und last, but not least, bietet sich dem Produzenten die Möglichkeit, seine Produkte einem größeren Kundenkreis näherzubringen. So wurden schon mal Stammkunden mittels spezieller Bio-Erdäpfel „herangezüchtet”.
An touristischen Plätzen, wie Rastenfeld mit dem Ottensteiner Stausee, ist der Wunsch nach lokalen „Schmankerln” natürlich besonders groß. In Österreich gibt es eine solche kulinarische Vielfalt, regionale Spezialitäten in höchster Qualität; wo sollte man als Tourist da nicht fündig werden, wenn nicht beim lokalen Nahversorger? Sehr beliebt ist die Geschäft-im-Geschäft-Lösung „aus’m Dorf” mit ausschließlich lokalen Produkten. Der Begriff „regional” wäre dafür schon zu weitläufig …

Das liebe Geld

Wie kann man aber ein solches Projekt als kleinere Gemeinde überhaupt stemmen? Unter anderem mit Förderungen. In Niederösterreich hat z.B. die NAFES – Niederösterreichische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Einkaufs in Orts- und Stadtzentren – die Aufgabe, Bemühungen von Gemeinden städtisch geprägter Ortskerne finanziell zu fördern. Gemeinsam von Land NÖ und Wirtschaftskammer NÖ werden dafür 3,6 Mio. € zur Verfügung gestellt.

Die Förderhöhe für alle Maßnahmen beträgt bis zu 30% der nachgewiesenen Gesamtkosten, aber nicht mehr als 100.000 €. Und wir wären nicht in Österreich, wenn sich der Förderwerber nicht auf ein „wenig” Bürokratie gefasst machen sollte. „Wenig” hieß etwa in Rastenfeld: Für 57.000 € an Förderungen mussten sie einen ganzen Bananenkarton an Unterlagen beibringen.

Nahversorger der Zukunft

Bei einem ist sich die Runde einig – der Nahversorger wird in Zukunft mehr als ein Lebensmittelladen sein. Er wird im allerschönsten Wortsinn ein Versorger sein – so er es nicht jetzt schon ist. Und diese Versorgung spannt sich von der individuellen Betreuung vor Ort über die angebotene Vielfalt an Kulinarik und Dienstleistungen bis hin zum sozialen Treffpunkt.

Aber auch persönlich wird sich der Nahversorger weiterentwickeln, ein engagierter Unternehmertyp wird mehr und mehr gefragt sein. Multifunktionalität wird ihn begleiten – z.B. Handel, gepaart etwa mit Gastronomie oder Paketdienst oder beidem. Der Nahversorger wird auch, mit kommunaler Unterstützung, Partner für die Betriebe und Unternehmen vor Ort sein.

Gemeinden als Knackpunkt

Eines ist auch sicher: Mit Standardkonzepten wird das aller Voraussicht nach nicht funktionieren. Kommunen werden sich also etwas überlegen müssen: Wie gehe ich meine Orts­planung an? Lasse ich meinen Ortskern „sterben” und ­verfrachte alles und jeden in neu entwickelte Gewerbe­gebiete in die Peripherie? Welche Verantwortung habe ich als Gemeinde gegenüber meinem Ort und meinen Bürgern? Unser Demografie-Experte ­brachte es auf den Punkt: „Wenn Infra­strukturen kaputt sind, dauert es lange, sie wieder aufzubauen – es wird engagierte Bürgermeister brauchen, die ihre Gemeinden orchestrieren.” Kommunen wären also gut beraten, ihre eventuell marode Infrastruktur einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit es nicht so weit kommt, könnte sich der mündige Kunde auch einmal selber fragen: Wie wichtig ist mir die Qualität meiner Lebensmittel? Sollte der Preis wirklich das ­einzige ­Kaufkriterium sein? Was könnte ich lokal erwerben oder ­zumindest aus der Region?

Experten gehen davon aus, dass wir in Zukunft weniger arbeiten werden, dass die 4-Tage-Woche kommen wird und dass wir somit auch mehr Zeit für geselliges Zusammensein haben werden. Damit werden wir öfter bei „ihm” sein – sei es bei unserem eigenen Nahversorger oder beim „touristischen” in unserer Urlaubsdestination. Sei es, um bei ihm einzukaufen oder in der angeschlossenen Gastronomie zu frohlocken.
Und er wird bei uns zu Hause sein – seine Wertschätzung unseren Lebensmitteln gegenüber werden wir auf unseren Tellern wiederfinden.

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL