Der Umbau ist dringend nötig Österreichische Privatkunden-Banken schöpfen Potenziale im digitalen Banking noch nicht ausreichend aus und kämpfen zudem mit hohen Kosten, sagt Daniela Chikova, Expertin bei A.T. Kearney. Wege, um den digitalen Anschluss zu schaffen, zeigt Werner Wutscher, NVS, auf. Seiten 36, 37
Wien. 2,5 „Berührungspunkte” mit dem Kunden täglich – diesen phänomenal guten Wert hat die amerikanische Online-Bank Simple mit Sitz in Portland, Oregon, die von der spanischen Großbank BBVAAnfang 2014 um 117 Mio. US-Dollar geschluckt wurde, berichtet Daniela Chikova, Partnerin bei A.T. Kearney. Was die Kunden zu so häufigem Kontakt antreibt? Neben normalem Zahlungsverkehr bietet Simple zahlreiche Apps, die das junge Zielpublikum – damals rund 100.000 Nutzer – offenbar „cool” findet: Etwa eine „safe to spend”-Funktion, die künftige Zahlungen mit den persönlichen Sparzielen verknüpft und anzeigt, was man sich aktuell noch leisten kann. Oder man kann mit einem Handywischen feststellen, wie viel man für Kaffee oder Taxis in New York im vergangenen Monat ausgegeben hat. Neue Funktionen werden laufend entwickelt, wie es heißt.
Kulturelle Transformation
BBVA hätte auch selbst neue Apps entwickeln oder abkupfern können, aber, „die kulturelle Transformation ist oft der schwierigere Part”, so Chikova – die Filialwelt ist noch weit von der digitalen Revolution entfernt. Bezeichnenderweise haben die spanischen Privatkundenbanken mit 48% bei der Kosteneffizienz laut aktuellem Retailbanken-Radar von A.T. Kearney die Nase vorn – dicht gefolgt von nordeuropäischen Instituten mit 50% Kosten zu Ertrag. Die Institute in Südeuropa, wiederum vor allem in Spanien, verzeichneten zuletzt auch den größten Produktivitätssprung, was Chikova auf interne Restructurierungsprogramme und Rationalisierungen beim Filialnetz zurückführt.
Österreichische Retailbanken haben sich im europäischen Vergleich zwar wacker geschlagen. Bezüglich Cost-Income-Ratio sind aber nur mehr die Portugiesen schlechter (96% vs. 71%). Die Steigerung hierzulande (2013: 75%) geht laut Beraterin und Studien-Co-Autorin Chikova aber weniger auf Kostensenkungen als auf Ertragsverbesserungen zurück.
Hinzu kam noch ein steter Mitarbeiterabbau in den vergangenen Jahren von 1,5 bis 2% pro Jahr – was verglichen mit den 7 bis 8% in anderen Ländern sehr moderat ist, und sich wohl so fortsetzen dürfte und großteils über natürliche Abgänge erfolgen könnte, so Chikovas Einschätzung.
Die Profitabilität pro Kunde konnte sich 2014 gegenüber 2013 vor allem wegen weiter sinkender Risikokosten verbessern, der Ertrag bleibt aber mit weniger als 600 Euro pro Kunde unter dem Europa-Schnitt von 644 Euro.
Auch die Zinsabhängigkeit ist in Österreich auf dem tiefsten Stand seit 2007 und beträgt nur noch 63% des Gesamtertrags (Westeuropa: 72%). Das Niedrigzinsumfeld brachte mehr Geschäft (und Provisionserträge) mit Fonds, Vorsorgeprodukten und Hypothekarkrediten.
Am profitabelsten sind die Schweizer und die nordischen Banken mit 349.000 Euro je Mitarbeiter, die südeuropäischen Banken (Spanien, Portugal, Italien) kamen auf 221.000 Euro, die westeuropäischen auf 183.000 Euro, die österreichischen Banken verdienten pro Mitarbeiter 216.000 Euro.
Umsteuern dringend nötig
„Neue Ertragsquellen zu erschließen, ist nicht einfach”, so Chikova. „Ein Umsteuern ist dringend nötig. Der Umbau im Retail Banking gewinnt in Europa an Geschwindigkeit; Österreich droht hier den Anschluss zu verlieren.” Spätestens in 15 Jahren werde die Digitalisierung des Bankgeschäfts der Mainstream sein. Bei den „digital natives” wird man mit Geschwindigkeit, Einfachheit und Transparenz punkten können. Mitbewerber aus den Feldern digitales Bezahlen, Mobile Banking, Online-Investing und Instant Lending setzen dem traditionellen Bankgeschäft zu. Chikova: „Bei der polnischen mBank kann man innerhalb von 30 Sekunden online ein Konto eröffnen, bei anderen Instituten geht es in etwa genauso rasch, einen Kredit genehmigt zu bekommen.”
Mehr Interaktion
Heute seien 45% aller Mobiltelefone Smarphones, in wenigen Jahren werden es geschätzt 80% sein. Es sollte daher mehr Interaktion mit den Kunden stattfinden, schreibt Chikova den heimischen Banken ins Stammbuch. Und sie führt ein weiteres Feature an, das anderswo bereits Usus ist: „Banken nutzen Geo-Marketing, der Kunde wird beispielsweise auf Sonderangebote in seiner Nähe aufmerksam gemacht.”
Weiteres Beispiel: Number26, Berliner Start-up zweier Österreicher. Sie mischen den Gratis-Girokontenmarkt auf und setzen rein auf Handy, Skype & Co. Zur Feststellung der Identität bei der Kontoeröffnung braucht man per Videokonferenz einfach nur den Reisepass in die Webcam halten. Die Kunden werden geduzt, die Apps kategorisieren und sortieren Buchungen automatisch, man erhält zahlreiche Statistiken über die Zahlungen. Und die Kreditkarte sieht offenbar wirklich „cool” aus – die Warteliste ist dementsprechend lang. Derzeit benötigt man für die Kontoeröffnung einen „Invite Code”, da Number26 „in der Anfangsphase nur an eine beschränkte Anzahl an Kunden Konten vergibt”. Den Code erhält man nach erfolgter Voranmeldung per E-Mail.(lk)