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reinhard krémer 09.12.2016

Heißer Samba in London statt Walzer in Wien

Der Feuerfest-Riese RHI will mit der Nummer zwei ­verschmelzen und die Börse Wien verlassen.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Anfang Oktober wurde der Plan veröffentlicht, dass die RHI und die brasilianische Magnesita zu einem einzigen Feuerfest-Konzern verschmelzen wollen.

Die fein komponierte Partitur brachte jedoch überraschenderweise die Aktionäre aus dem Rhythmus – und die Unternehmensführung wurde umgehend abgewatscht wie ein aufdringlicher Tanzpartner: Die Aktie, die im Jahresverlauf bis dato bereits um die 25% zugelegt hatte, verlor in Windeseile wieder rund zehn Prozent an Wert.

China schafft Leiden

In den letzten Jahren litt die RHI, wie viele im industriellen Bereich, unter dem massiven Druck aus China. Weil die Konjunktur weltweit holpert, gingen auch die Aufträge der Hauptkunden aus dem Stahlbereich zurück. Der brasilianische Mitbewerber Magnesita, mit rund 900 Mio. € Umsatz im Jahr 2015 nur halb so groß und hinter der RHI die Nummer zwei, stand vor ganz ähnlichen Problemen. Und so wurde die Idee zur Schaffung eines neuen Riesen geboren, der dann rund 2,6 bis 2,8 Mrd. € jährlich umsetzen soll.

Wiener Walzer und Samba

So die hehre Komposition, die vom interimistischen Dirigenten Wolfgang Ruttenstorfer verkündet wurde, der für den erkrankten Franz Struzl einsprang. Umsetzen soll ihn jetzt der frühere CEO des schweizerischen Lonza-Konzerns, Stefan Borgas, der seit Anfang Dezember für fünf Jahre am Steuer der RHI steht.

Borgas hatte allerdings bei seinem früheren Brötchengeber nicht nur Freunde; Borgas habe die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllt, ließ Verwaltungsratspräsident Rolf Soiron seinerzeit verlauten. Die RHI-Idee fand nicht nur Freunde. Kritik im übertragenen Sinn: Der 2/4-Rhythmus des Samba passt nicht zum ¾-Takt des Wiener Walzer. Da nützte auch nicht, dass Aktionäre ihre Papiere 1:1 in Anteile am neuen Konzern tauschen können und auch ein Abfindungsangebot in bar ausgearbeitet wurde.
Auch der Plan, den Konzernsitz im Rahmen des Deals, der rund 450 Mio. € kosten soll, ins steuerlich günstigere Holland zu verlagern, hielt den Jubel in Grenzen – obwohl man verkündete, den Gesamtgewinn in ­Österreich zu versteuern.

Kein Stellenabbau

Auch die Ankündigung, die Finger von einem massiven Personalabbau zu lassen, machte nichts besser. Dass die Aktie dann nicht mehr in Wien – hier ist die Aktie ein Schwergewicht mit rund 1,88% Anteil am ATX –, sondern in London notieren soll, stieß den Anlegerschützern sauer auf. Einige Kritiker ließen anklingen, das sei ausschließlich im Interesse des Großinvestors Martin Schlaff, der einen Deal-Exit anstrebe; er ist mit knapp 28,5% größter RHI-Aktionär.

Ein Investor mutmaßte, dass der Deal möglicherweise nicht im Interesse des Unternehmens sei, man ihn ordentlich durchrechnen müsse und verglich ihn mit den desaströsen US-Abenteuer der RHI Ende der 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Spannend wird in den nächsten Wochen, wie die Politik auf die Pläne der RHI reagiert …

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