••• Von Reinhard Krémer
Europas Bankkunden sind treue Seelen: Wie das jährlich erhobene „Retail Banking Radar 2024” der globalen Unternehmensberatung Kearney belegt, haben fast drei Viertel (73%) der europäischen Bankkunden ihr Hauptkonto fünf Jahre oder länger bei derselben Institution, in Österreich sind es sogar 79%. 77% halten alle ihre Finanzprodukte bei einem Institut. Der Retail Banking Radar basiert auf der Befragung von jeweils 500 Kunden pro Land.
Diese Kundenbindung hilft den etablierten Banken, die Konkurrenz durch digitale Banken und FinTechs abzuwehren, dennoch hat jeder vierte befragte Österreicher (25%), der in den letzten fünf Jahren seine primäre Bank verlassen hat, zu einer digitalen Bank oder einem FinTech gewechselt. Daniela Chikova , Partnerin bei Kearney, kommentiert: „Während die etablierten Banken in ganz Europa von der Kundenbindung profitieren, gibt es klare Anzeichen dafür, dass sie diese Loyalität nicht als selbstverständlich ansehen dürfen, da sich immer mehr Menschen für den Wechsel zu digitalen Banken entscheiden.”
Vorsicht bei den Jüngeren
„Sie sollten besonders vorsichtig mit ihren jüngeren Kunden sein, die sich aufgrund ihrer Flexibilität und der innovativen Angebote für FinTechs entscheiden”, rät die Expertin. Bei den europäischen Verbrauchern, die in den letzten fünf Jahren die Bank gewechselt haben, waren Mundpropaganda (52%) und finanzielle Anreize (52%) die beiden Hauptgründe.
Bemerkenswert ist, dass ein Drittel der Befragten (33%) auch eine schlechte Kundenerfahrung als Grund für eine neue Bank angab. Wenn sich Kunden für ein neues Hauptgirokonto entscheiden, werden sie der Studie zufolge wahrscheinlich auch andere Produkte mitnehmen, einschließlich Immobilienkrediten und Wertpapieren. Von denjenigen, die kürzlich die Bank verlassen haben, nahmen 76% mindestens ein weiteres zusätzliches Produkt mit, in der Regel Sparkonten oder Kreditkarten.
FinTechs als Bedrohung
Tatsächlich übertrug fast die Hälfte der Österreicher (44%) ihr Hauptkonto zusammen mit zwei oder mehr Produkten zu ihrer neuen Bank. Dies bestätigt, dass traditionelle Banken auf ihre Einnahmen aus hochwertigen Produkten, insbesondere von Wertpapieren und Immobilienkrediten, achten müssen.
Da in Österreich schon 13% ihr Hauptkonto bei einer digitalen Bank oder einem FinTech führen, gewinnen die Herausforderer schnell an Größe und werden zu ernsten Konkurrenten.
Laut der Studie bevorzugen vor allem jüngere Kunden eine digitale Bank oder ein FinTech, da viele Funktionen bei technisch versierteren Verbrauchern Anklang finden.
Konkret sind 23% der Hauptkunden digitaler Banken unter 35 Jahren und etwas weniger als die Hälfte (45%) unter 45 Jahren.
Beträchtliches Vertrauen
Kearneys Studie spiegelt ein beträchtliches Maß an Vertrauen in das moderne Banking wider: Die Hälfte der Befragten (48%), die ihr Hauptgirokonto bei einer digitalen Bank haben, hält zwischen 80% und 100% ihrer Finanzen bei dieser Institution. Zusätzlich führen 52% der Hauptkunden einer Digitalbank 80 bis 100% aller Transaktionen von dem Konto bei dieser Bank durch.
Was jetzt nötig ist
Wie man hier gegensteuern könnte, erklärt Studienautorin und Kearney-Partnerin Daniela Chikova: „Es gibt mehrere Schritte, die diese Banken unternehmen können, um sich erfolgreich in der sich verändernden Landschaft zurechtzufinden, darunter Investitionen in digitale Fähigkeiten, die Fokussierung auf das Kundenerlebnis, das Anbieten finanzieller Anreize oder die Schaffung einer eigenen digitalen Marke. Einige Banken befreien sich bereits von den Einschränkungen von Altsystemen und komplexen Prozessen und experimentieren mit neuen Technologien wie Open Banking, um technisch versierteren Kunden eine Alternative zu bieten.”