FINANCENET
© APA/AFP/Timothy A. Clary

reinhard krémer 11.11.2016

Wer hat Angst vor Donald Trump?

Die Finanzplätze schlotterten nach dem Sieg des lauten Rabauken. Doch dann kam alles anders.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Damit hat bis zum Schluss niemand gerechnet – oder fast bis zum bitteren Ende der US-Präsidentenwahl. Als sich ein Sieg des Republikaners ­Donald Trump in Spuren abzeichnete, reagierten die Finanzinstrumente, die das feinste Sensorium der Weltwirtschaft sind und den Super-GAU vorwegnahmen, sofort: Am 9. November, tief in der europäischen Nacht, stürzte der Dow-Jones-Future um 500 Punkte ab.

Parallel dazu stieg der Goldpreis, der bei Krisen sofort anspringt, um rund fünf Prozent. Auch der Schweizer Franken und der japanische Yen gingen zum US-Dollar steil nach oben.

The new normal …

Doch als Europa erwachte, hatte sich die Lage weitgehend normalisiert; die Börsen hatten das Ereignis verdaut, und bei den Währungen gings ebenfalls ruhiger zu. Einzig der Goldpreis verharrte auf hohem Niveau. Aber schon am Tag nach der Wahl schoss der Dow Jones nach oben und auch der DAX und der Londoner FTSE legten zu.

Die Welt war dabei, sich mit dem Undenkbaren zu arrangieren – aber was meinen die ­Finanzexperten? „In den kommenden Tagen erwarten wir, dass die Volatilität im Schatten der Wahlen weiterhin hoch bleibt. Das spiegelt auch das Ausmaß der politischen Unsicherheiten wider, das in der jüngeren amerikanischen Geschichte seinesgleichen sucht”, meint man beim Asset Management der Deutschen Bank, das 715 Mrd. € verwaltet – und rät, die Nerven zu behalten.

Zinserhöhung ade?

Falls die Marktturbulenzen anhalten, dürfte die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung der US Federal Reserve (Fed) im Dezember weiter schwinden, meint die Deutsche AM: „Weniger beruhigend ist die Tatsache, dass nun ungewiss ist, wer mittelfristig in der Fed den Ton angeben wird. Dazu kommt, dass die Notenbank in Zukunft stärker unter parlamentarische Aufsicht gestellt werden könnte; ihr Handlungsspielraum wäre dann im nächsten Abschwung wohl ­geringer.”

„Riskante Vermögenswerte dürften zumindest so lange in Mitleidenschaft gezogen werden, bis mehr Klarheit herrscht”, sagt Valentijn van Nieuwenhuijzen von NN Investment Partners.

Emerging Markets im Feuer

Schwellenländer seien besonders anfällig, Risiken gibt es vor allem für Mexiko und China. „Natürlich wird nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird”, so Nieuwenhuijzen. „Wenn Trump eine etwas weniger aggressive Agenda umsetzte, wären die Auswirkungen auch weniger einschneidend. Höhere Infrastrukturausgaben, niedrigere Unternehmenssteuern und mehr Deregulierung sind nicht per se schlecht für die Aktienmärkte.”

Mittelfristig würde eine vollständige Umsetzung von Trumps Vorhaben aber zu einem kräftigen Anstieg des Haushaltsdefi­zits führen. „Trumps Wahlkampfversprechen deuten darauf hin, dass die USA in den kommenden Jahren eine deutlich expansivere Fiskalpolitik verfolgen werden”, meint auch Larry Hatheway von Global Asset Management.

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