••• Von Martin Rümmele
Den Koalitionsverhandlern von ÖVP, SPÖ und Neos wird seit dem Beginn der Gespräche immer wieder zugerufen, dass im Gesundheitswesen gespart werden müsse, weil unter anderem die Lohnnebenkosten zu hoch sind. Doch das würde Unternehmen und Beschäftigte in diesem Bereich weiter unter Druck bringen. Dazu kommt, dass vor allem die Österreichische Gesundheitskasse tief in den roten Zahlen steckt: für 2025 wird ein Minus von bis zu 800 Mio. € erwartet; hinter den Kulissen ist bereits von der magischen Grenze von einer Milliarde die Rede. Sagen will das niemand, wurde doch einst bei der Kassenzusammenlegung eine Patientenmilliarde versprochen, die es bekanntlich nie gab. Wenn es jetzt ein Minus von einer Milliarde in einem Jahr gibt, wäre das ein Fiasko, sagen Regierungsverhandler.
Kommt eigenes Ministerium?
Die Antwort könnte möglicherweise ein Präventionsministerium sein, in dem Gesundheit und Pflege zusammengefasst werden. Klar ist, dass es im Bereich nicht übertragbarer Krankheiten enormes Gesundheitspotenzial gibt, das bei einer Hebung auch deutliche Einsparungen bringen kann.
Ein Thema sind etwa Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Sie gehören zu den häufigsten Todesursachen. In der EU werden jährlich mehr als fünf Mio. neue Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen diagnostiziert. Die wirtschaftliche Belastung ist enorm. Allein im Jahr 2021 haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der EU zu 282 Mrd. € an Kosten geführt.
Diese Summe entspricht rund zwei Prozent des europäischen BIP. Umgerechnet auf Österreich, wäre das fast ein Fünftel der gesamten Gesundheitsausgaben.
Adipositas eindämmen
Fast fünf Prozent aller Gesundheitsausgaben in Österreich fließen in die Behandlung von Adipositas und deren Folgeerkrankungen, zeigt eine erst vor Kurzem präsentierte Analyse des Instituts für Höhere Studien (IHS). Fettleibigkeit erhöht unter anderem das Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Arthrose und kann zu Unfruchtbarkeit führen. Menschen, die mit 45 Jahren mit Hochrisiko-Adipositas leben, sterben im Schnitt knapp fünf Jahre früher und verlieren fast zehn gesunde Lebensjahre. „Wir können es uns als Gesellschaft einfach nicht leisten, dass eine chronische Erkrankung immer weitere Teile der Bevölkerung erfasst”, sagte zuletzt auch der derzeitige ÖGK-Obmann Andreas Huss.
Auch die Zahl der Diabetesdiagnosen in Österreich steigt seit Jahren an. Nach Schätzungen könnten bis zum Jahr 2030 mehr als eine Mio. Menschen in Österreich von der Krankheit betroffen sein. Die Behandlung von Diabetes und dessen Folgekrankheiten verursacht jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Investitionen in eine bessere Versorgung könnten langfristig Kosten senken, indem Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenversagen und Fußkomplikationen verhindert werden.
Bewegung und neue Steuern
Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht, denn wie in vielen anderen Bereichen des Gesundheitswesens fehlen konkrete Daten. Die Bundesländer geben ihre Spitalsdaten nicht her, die Krankenversicherungen wollen sie nicht ohne diese Gegenleistung vernetzen.
Erreicht werden könnte das unter anderem durch Bewegungsprogramme. Ein Motor dafür soll der künftige ÖGK-Obmann Peter McDonald sein – er ist langjähriger Präsident der Sportunion und als Vizepräsident von Sport Austria für den Breitensport verantwortlich. Denkbar sind auch Steuern auf zuckerhaltige Lebensmittel und Alkohol. Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller bezifferte das Potenzial zuletzt im medianet-Interview auf zusammengerechnet rund 200 Mio. € pro Jahr.