WIEN. Obwohl die Zahl der Neuerkrankungen pro Altersgruppe rückläufig ist, leben immer mehr Menschen mit Krebs. 315.000 Patienten sind waren es 2012 in Österreich, 100.000 mehr als zehn Jahre davor. Anhand dieser Zahlen machen Hämatologen und Onkologen auf ein Problem aufmerksam, das dringend einer Behandlung bedarf: die steigenden Medikamentenkosten. 471 Mio. € wurden 2015 in Österreich für Krebsmedikamente aufgewendet. Binnen fünf Jahren wurde ein Anstieg um 39% verzeichnet. Das Marktforschungsinstitut IMS Health geht von einer weiteren jährlichen Zunahme von sechs bis acht Prozent aus. Die Steigerung ist auf mehrere Gründe zurückzuführen, zu denen die immer älter werdende Gesellschaft gehört und auch Tatsache, dass sich die durchschnittliche Überlebensdauer von Krebspatienten verlängert. Derzeit leben 61% der Betroffenen noch mindestens fünf Jahre nach der Diagnose.
Massive Fortschritte
„Die Hämatoonkologie befindet sich in einer Phase des Paradigmenwechsels”, sagte Hellmut Samonigg, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO), am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Jahrestagung der Gesellschaft in Wien. Nach Jahren der Grundlagenforschung seien neue Therapiekonzepte und Substanzen entwickelt worden, „die epochale Verbesserungen gebracht haben”, sagte der Rektor der Medizinischen Universität Graz. Sogar das gefürchtete metastasierende Melanom sei an der Schwelle, sich zu einer chronischen Erkrankung zu entwickeln. „Es gibt berechtigte Hoffnung, hier eine Heilung zu erzielen”, sagte der Experte. Den Ärzten stehen nicht nur immer neue innovative Medikamente zur Verfügung, sondern auch eine unglaubliche Menge an Informationen, die für die Anwendung an einem Patienten selektiert und koordiniert werden müssen. Ein oder zwei Mediziner allein können diese Aufgabe nicht bewältigen. In spezialisierten Kliniken wird die Behandlung nach Beratungen sogenannter Tumorboards festgelegt, in denen Mediziner mehrerer Fachrichtungen vertreten sind und ihre Expertise einbringen. In solchen Gremien sieht Samonigg auch den Weg, den kostengünstigste Therapie zu finden.
Um die jeweils optimale Behandlung für den Patienten zugänglich zu machen, bedarf es nach Ansicht der Fachleute sogenannter Cancer Centers, die in Uni-Kliniken und anderen Krankenhäusern in Ballungszentren angesiedelt sein sollten; angeschlossen sein könnten kleinere Zentren, um eine größere Zahl und damit eine leichtere Erreichbarkeit für die Patienten zu erzielen.
Differenzierte Diskussion
Die Industrie wünscht sich hier ebenfalls eine ganzheitliche Betrachtungsweise: „Reden wir über den Wert und nicht immer nur über die Kosten. Wir wenden in Österreich gerade einmal 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für hospitale onkologische Arzneimittel auf. Ihr Wert dagegen besteht in einem enormen Nutzen für die Betroffenen”, sagt Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig. Krebs sei immer besser behandelbar und immer seltener ein Todesurteil. „Das lässt die Anzahl an Krebspatienten und damit auch die Behandlungskosten natürlich steigen. Gleichzeitig investieren die forschenden Unternehmen immer mehr in die Entwicklung innovativer Krebsmedikamente.” In Österreich besteht eine hervorragende Versorgung bei der Krebstherapie, wofür die überdurchschnittlich hohen Überlebensratendas der beste Beweis sind.