HEALTH ECONOMY
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Apotheker sind unter Druck der Drogeriekette dm und des mächtigen Handelsverbandes geraten.

Ina Karin Schriebl 18.03.2016

OTC-Markt ist im Umbruch

Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass eine Marktöffnung bei rezeptfreien Arzneimitteln für den Handel auch zu einem ­Bumerang werden könnte. Apotheken und Industrie bremsen.

••• Von Ina Karin Schriebl

WIEN. Der Handelsverband und die Drogeriekette dm machen weiter Druck auf die Apotheken. Wie berichtet, will dm rezeptfreie Medikamente verkaufen und ruft dafür den Verfassungsgerichtshof an. Die Kritik der Apothekerkammer, dass dadurch die Gesundheit der Menschen gefährdet werde, wenn die Beratung fehle, will das Unternehmen nicht gelten lassen. Das Beratungsargument werde von der großen Mehrheit der Bevölkerung als Scheinargument wahrgenommen, sagt dm-Geschäftsführer Harald Bauer. Von dm durchgeführte Testkäufe in Apotheken und im Internet hätten gezeigt, dass in keinem einzigen Fall nachgefragt worden sei.

Eine Abschaffung des Apothekenvorbehalts wäre für Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, durchaus im Sinne der Konsumenten. „Insbesondere in ländlichen Gebieten mit weniger gut ausgebauter Infrastruktur könnte der hohe Filialisierungsgrad der Supermärkte einen wertvollen Beitrag zur Verfügbarkeit von rezeptfreien, nicht beratungsintensiven Medikamenten leisten.” Der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Max Wellan, warnt indes weiter eindringlich vor einer „Ausfransung der Vertriebswege” auf Supermärkte. Wellan: „Medikamente gehören in die Apotheke. Jedes einzelne Medikament kann bei falscher Anwendung, bei falscher Dosierung oder falscher Kombination zu gesundheitlichen Problemen führen.”
Offen ist neben der Entscheidung der Gerichte allerdings auch, ob vor allem die Hersteller bei den Plänen von dm mitmachen. In Deutschland hat die Kette gerade eine Schlappe im Hinblick auf apothekenexklusive Kosmetika hinnehmen müssen. dm hatte mit großem Werbeaufwand Eucerin, Vichy, Avène, Eubos, Medipharma, Bepanthol und Co billig angeboten. Der Warenfluss aus dem Graumarkt war offenbar aber nicht immer zuverlässig. dm hat deshalb angekündigt, künftig keine Apothekenkosmetik mehr zu verkaufen. „Hintergrund für diese Entscheidung ist, dass wir die Warenpräsenz nicht in allen dm-Märkten gewährleisten und unserem Anspruch an eine attraktive Warenpräsentation nicht gerecht werden können”, sagte Geschäftsführer Christoph Werner in deutschen Medien.

Lieferanten als Kriterium

Das Problem der Handelsketten ist im Fall einer Öffnung des OTC-Markts nämlich die Versorgung mit Produkten. Die bisherige Apothekenexklusivität bringt der Pharma­branche durchaus Vorteile – nicht zuletzt im Hinblick auf stabile Preise. Die Apotheker wiederum spielen diese Karte und ihre Marktmacht durchaus geschickt aus. Als etwa der deutsche Großhändler Celesio vor einigen Jahren den Onlineversender DocMorris kaufte, wechselten deutsche Apotheken in Scharen ihren Lieferanten. Die Folge: Celesio verkauft DocMorris nach verlustreichen Jahren mit hohen Abschlägen und deutlich unter dem Einkaufspreis an den Schweizer Versandhändler „Zur Rose”.

Zudem kommt es aktuell gerade im Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln zu einer massiven Konzentration bei den Herstellern. So wurde wie berichtet vor Kurzem bekannt, dass sich der US-Pharmakonzern Mylan nun den schwedischen Anbieter Meda einverleiben will; Meda hat erst im Jahr 2014 den italienischen Konzern Rottapharm-Madaus übernommen. Für kräftig Bewegung dürfte heuer auch ein geplanter Beteiligungstausch von Boehringer Ingelheim mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi sorgen. Boehringer Ingelheim wird das gesamte OTC-Geschäft an Sanofi abgeben und übernimmt im Gegenzug von Sanofi die Sparte mit Tiertherapeutika.

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