HEALTH ECONOMY
© APA/AFP/Tim Sloan

Redaktion 12.05.2023

Pharma: Diabetes ist der neue Krebs

Die Zunahme der Zivilisationskrankheit Diabetes Typ 2 und neue Entwicklungen stellen die Pharmabranche auf den Kopf.

••• Von Martin Rümmele

Onkologie galt viele Jahre als Hoffnungsschimmer der Pharmabranche. Neue Therapien – vor allem dank der Gentechnologie – versprachen hohe Preise und entsprechende Gewinne. Und sie tun es nach wie vor. Kaum ein Pharmakonzern, der etwas auf sich hält, hat nicht eine Onkologie-Sparte. Andere Bereiche – vor allem jene mit wenig Potenzial für neue Entwicklungen – hat man eher abgestoßen oder zurückgefahren.

Ein Bereich aus diesem Segment allerdings boomt: Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). Vor allem der durch Ernährung, wenig Bewegung und entsprechendes Übergewicht induzierte Diabetes Typ 2 gehört zu einer der häufigsten Krankheiten. In Wien sind allein 130.000 Menschen davon betroffen. In Österreich leben rund 800.000 Menschen mit Diabetes, in der EU sind es mehr als 33 Mio. Weltweit leiden derzeit mehr als eine halbe Mrd. Menschen an Diabetes. Immer häufiger auch jüngere. Tendenz steigend. In den USA gelten inzwischen mehr als 40% der Bevölkerung als fettleibig, in Österreich sind 40% zumindest übergewichtig.

Dauermedikation

Was – so hart es für die Betroffenen klingt – Anlegerfantasien weckt: Diabetiker müssen ihren Blutzucker senken – meist mit Medikamenten und meist dauerhaft. Bei Diabetes mellitus ist der Blutzuckerspiegel erhöht. In weiterer Folge betrifft die komplexe Erkrankung aber auch Nieren, Nerven oder das Herz.

In den vergangenen Jahren erleben wir zudem eine Revolution in der Diabetesforschung. Neu sind beispielsweise sehr lang wirkende Insuline, die als Basalin-Insulin einmal wöchentlich gespritzt werden. Modernste medizinische Geräte und intelligente Insulinpumpen dosieren Insulin automatisch. Dazu kommt, dass neue Diabetes-Medikamente quasi als Nebenwirkung zu einer deutlichen Gewichtsreduktion führen. Allerdings gilt auch hier: nur bei einer dauerhaften Einnahme (siehe Kasten). Die Folge: Hersteller wie Novo Nordisk, Eli Lilly, Sanofi oder Boehringer Ingelheim erleben einen Boom und können ihren Wert deutlich steigern. Eli Lilly und Novo Nordisk haben den Aktienkurs in den vergangenen fünf Jahre etwa fast verdreifacht und gehören zu den wertvollsten Firmen der Branche – deutlich vor Riesen wie Pfizer, Novartis oder Roche.

Wachstum auch in Wien

Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim hat zuletzt sein von Wien aus gesteuertes Geschäft in Österreich, der Schweiz sowie in mehr als 30 Ländern der Region Mittel- und Osteuropa, Zentralasien und Israel im vergangenen Jahr um 14% auf 1,315 Mrd. € gesteigert. Zu einem maßgeblichen Teil wurde das laut Unternehmen auf die „überdurchschnittliche Entwicklung” eine Medikaments zurückgeführt, das zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wird und 2022 auf in der Therapie von Patienten mit Herzinsuffizienz zugelassen wurde.

Sanofi kauft zu

Der französische Pharmakonzern Sanofi wiederum will sich im Diabetes-Geschäft mit der 2,7 Mrd. € schweren Übernahme des US-Biotechunternehmens Provention Bio verstärken; Sanofi sichert sich mit dem Deal den Zugriff auf ein neues Präparat der Amerikaner zur Behandlung von Typ-1-Diabetes.

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL