Wien. Die Objekte und Installationen von Katharina Mischer und Thomas Traxler/mischer’traxler funktionieren immer auf mehreren Ebenen. Die erste Ebene ist die des Designs: das ist der interessante Ausdruck, die ungewöhnliche Präsentation, die einen spontan anspricht. Die zweite Ebene erreicht man, wenn man sich das Ganze genauer anschaut, wenn man sich einerseits mit den einzelnen, figurativen Aspekten, andererseits mit den Materialien auseinandersetzt und versucht zu hören, was da noch alles erzählt wird. Da ist immer eine Erzählung, die sich verzweigt, die inspiriert, die auch auf Assoziationen abzielt. Die dritte Ebene ist erreicht, wenn man ein Bewusstsein und ein Gefühl dafür entwickelt, was mitgeteilt wird. Es geht dann um einen emotionalen Aspekt, der sich auftut, wenn man sich auf diese Geschichten einlässt.
Ein Wechselspiel der Natur
Curiosity Cloud vereint überzeugende Ästhetik und subtile Information. Zunächst ist sie einfach nur schön: In mundgeblasenen Glaskolben, die von der Decke herabhängen, flattern Insekten-Avatare. Aus der Ferne wirkt die Installation ruhig. Bei näherer Betrachtung, beim Näherkommen zeigt sich die Individualität jedes einzelnen Tier-Körpers. Die Insekten reagieren und bewegen sich, es entstehen Geräusche von Flügelschlag an den Gläsern. „Man bemerkt, dass die Insekten versuchen zu fliehen, sie können es aber nicht, weil sie ja eingeschlossen sind. Da beginnt die Fantasie zu laufen”, sagt Katharina Mischer. „Man kann die Curiosity Cloud einfach nur anschauen, ohne nachdenken zu müssen und eine emotionale Rückmeldung erhalten – bis hin zu näherer Beschäftigung.” Es bleibt dem Einzelnen überlassen, wie tief man sich einlassen will. Schaukästen mit einer kurzen Beschreibung liefern Informationen, ähnlich wie in einem naturhistorischen Museum. Aber anders als dort arbeiten sie nicht mit echten Tieren. Ein „echter” Falter würde in der Installation nach kurzer Zeit eingehen und zerbröseln, abgesehen von ethischen Überlegungen und Schwierigkeiten bei der Beschaffung. Für die Cooper Hewitt Design Triennale 2019/20 in New York wurde die Curiosity Cloud adaptiert: „In der originalen Curiosity Cloud für das Champagnerhaus Perrier-Jouët in Frankreich waren bunt gemischt Insekten zu sehen, die weltweit vom Aussterben bedroht sind oder neu entdeckt wurden. Für die New Yorker Adaption haben wir nordamerikanische Insekten gewählt”, erzählt Thomas Traxler.
Objekte der Wertschätzung
„Wie sind beide Stadtmenschen, lieben aber die Natur – die Details sind so gigantisch, das Design, die Farben, das ist einfach wunderbar. Die Faszination für die Insekten muss unbewusst in uns stecken”, sagt Katharina Mischer. „Wenn es um Naturschutz geht, werden oft Tiere mit einer gewissen Lieblichkeit ausgestellt. Manche Tiere werden vergessen, nicht ins Rampenlicht gestellt. Es geht aber um Biodiversität, um Lebensraum und dessen Verlust”, gibt Thomas Traxler zu bedenken. Die Übersetzungsarbeit eines natürlichen Modells wie ein Nachtfalter oder Käfer macht den Detailreichtum deutlich. Auch in das neue Designobjekt, eine Tischlampe mit dem Namen entomarium extinct, ist ein Schmetterling oder Käfer integriert. Dieses Objekt bezeichnet die Wertschätzung für die bedrohte Vielfalt und hinterfragt den menschlichen Umgang mit der Umwelt. Das Projekt wurde für die Victor Hunt Gallery in Brüssel entwickelt und funktioniert ebenso interaktiv wie die Curiosity Cloud. Auch hier: spektakulär minimalistische Ästhetik. Mundgeblasene Glasglocken fungieren als Bühne für künstliche, handgefertigte Insekten, die verschiedene ausgestorbene Arten aus der ganzen Welt darstellen.
„Es geht für uns beim Design immer um Kommunikation, um Übersetzung, darum, Informationen sichtbar und Daten begreifbar zu machen”, sagt Thomas Traxler. Die Designer beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aufgaben – vom Produktdesign, über interaktive Installationen, Prozesse, Maschinen und deren einzigartige Ergebnisse. Sie realisieren Projekte, die zwar in den klassischen Bereich von Design gehören, aber gleichzeitig einen Bildungsaspekt haben.
Design und Kommunikation
In diese Kerbe schlägt auch das Projekt Ratio, eine Geschichte von Steinen und Edelmetallen, die die Zusammenarbeit mit dem Steinmetz Beno Ogrin begründete. „Beim Besuch des geologischen Instituts in Ljubljana entstand die Idee, sich damit zu befassen, wie viel der alltäglich verwendeten Objekte aus Steinen kommt. Zu erkunden, warum es so viele Minen gibt, warum Bergbau betrieben wird. Man braucht für die Erzeugung von Kupfer riesige Mengen von Gestein, das für die Produktion zerschlagen und verbrannt wird”, erzählt Katharina Mischer. Bei Aluminium ist der Ertrag wesentlich höher als bei Kupfer oder Zink. Jedes Objekt der Serie Ratio zeigt: soviel Stein für soviel Metall. Bei Legierungen wie Messing besteht auch der Stein aus zwei Materialien. Einem schön geformten und geschliffenen Gesteinsblock angefügt ist eine Tischplatte oder Ablage im Metall- je nachdem wie groß der Anteil des Edelmetalls im Gestein ist. Die Objekte sind von ungewöhnlicher, bestechender Ästhetik, und überraschen zugleich durch die eingearbeiteten Mathematik.