Chic & gut Nachhaltigkeit ist für viele kleinere Premium- und Luxusmarken selbstverständlich. Langsam setzt sich aber auch bei den Großen die Erkenntnis durch, dass ökologisches und soziales Engagement das Image pflegt – und gleichzeitig gut fürs Geschäft ist.
Wien. „Made in China” – einst ein Synonym für Billigware minderer Qualität – ist längst salonfähig geworden, wie der Blick auf die Herkunftsbezeichnung vieler Artikel aus der Luxusfashion zeigt. Abgesehen von exklusiven Sonderanfertigungen, lassen Nobel-Brands kaum noch in den Hochlohn-Heimatländern produzieren.
Dass die Designabteilungen, in denen die Ideen für die Kollektionen entstehen, dort ansässig sind und die Ateliers und Manufakturen, aus denen die Luxusmultis hervorgegangen sind, nach wie vor existieren, reicht offensichtlich, um auch in Zeiten internationaler Supply-Chains und Massenproduktion das exklusive Image aufrechtzuhalten.
Noble Zurückhaltung
Inwiefern die Kritik vieler Umweltschutz- und Menschenrechts-Organisationen berechtigt ist, dass dabei Sklaverei und ökologische Nachteile in den außereuropäischen Produktionsländern (wissentlich) in Kauf genommen werden, bleibt allerdings oft offen.
Zu den Themen Nachhaltigkeit und CSR findet sich in den edel gestalteten Geschäftsberichten kaum Handfestes; keine Details zu den Maßnahmen für Klima-, Arbeits- und Umweltschutz oder zu Fabrik-Audits bei Zulieferbetrieben.
Fast wirkt es, als wäre man sich der Diskrepanz zwischen schönem Schein und oft hässlicher Realität bewusst. Wenn überhaupt, verweist man auf die wirtschaftlichen Umstände. Lückenlose Kontrollen der Zulieferer, höhere Löhne oder mehr Maßnahmen zu Verbesserung des Umweltschutzes seien (leider) nicht rentabel.
Kleine setzen Trends …
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn kleinere Unternehmen im Premium- und Luxussegment bringen Nachhaltigkeit, faire Arbeitsbedingungen und hohe Öko-Standards in der Produktion, europäische Löhne sowie Rentabilität durchaus unter einen Hut.
„Wir haben noch nie einen Gedanken daran verloren, außerhalb der EU produzieren zu lassen, denn unserer Philosophie setzt sehr stark auf Nachhaltigkeit”, sagt Michi Klemera, Gründer und Geschäftsführer des Südtiroler Fashionlabels Luis Trenker. „Es ist uns ein Anliegen, dass die sozialen und ökologischen Standards in unseren Produktionsstätten gewährleistet sind. Wir arbeiten seit über zehn Jahren mit nahezu denselben Produktionen zusammen, schätzen und respektieren einander. Regelmäßige Besuche und der persönliche Austausch mit unseren Zulieferern sind uns wichtig.”
Rund 90% der Rohmaterialien kommen aus Italien; „entscheidend bei der Wahl unserer Partner ist neben dem Preis fast einzig und allein der Qualitätsstandard”, erläutert Klemera.
Und der wird regelmäßig überprüft und, falls nötig, neu definiert. „Zukünftig benutzen wir für unsere Wattierungen keine Daune mehr, sondern nur mehr echtes Wollvlies. Auch werden wir keine Pelze mehr verarbeiten, sondern fokussieren den Einsatz von Häuten von Nutztieren wie etwa Lammfell”, erklärt er.
… bei Nachhaltigkeit …
Auf kurze Wege zwischen Headquarter, Design und Produktion setzt auch Peter Hofer, der im Vorjahr das österreichische Traditionsunternehmen Gloriette und dessen deutsche Tochter Q1 übernommen hat.
Hemden und Blusen werden im burgenländischen Stegersbach sowie im seit 1995 bestehenden ungarischen Tochterunternehmen Gloritex Kft genäht. Hauptlieferant der Stoffe ist die Weberei Getzner in Vorarlberg, einer der führenden Anbieter in diesem Segment, zu dessen Kunden zahlreiche Topmarken wie Armani, Brioni, Givenchy, Kenzo und Karl Lagerfeld zählen.
„Daneben kaufen wir Stoffe auch von italienischen oder portugiesischen Firmen. Um qualitativ hochwertige Hemden und Blusen herzustellen, braucht man aber auch gute Fachkräfte. Und das Ausbildungsniveau ist in Europa einfach höher als in Asien”, ist Hofer überzeugt. „Zudem sind auch die Kontrollmöglichkeiten besser, und durch die geografische Nähe können wir schneller und flexibler reagieren.”
Ganz wichtig ist das bei Kleinserien und besonders bei den Maßhemden, die seit Langem fixer Bestandteil des Gloriette-Sortiments sind und das Gloriette-Motto „Top-Qualität zu guten Preisen” besonders klar widerspiegeln.
Insgesamt sieht Hofer das Unternehmen auf einem guten Weg: „Wir verzeichnen ein solides Wachstum, das sogar über Plan liegt, und arbeiten bereits an einer Erweiterung der Kollektion; unter anderem wollen wir wieder mehr Strick ins Sortiment nehmen.”
China ist für den Gloriette-Chef aber sehr wohl ein Thema – nicht als Produktionsstandort, sondern als Absatzmarkt.
„Wir haben dort mittlerweile über lokale Franchisepartner 30 Stores, und das Geschäft läuft gut. ‚Made in Europe' ist ein Qualitätskriterium, das der chinesische Konsument schätzt und der daher auch bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen.”
… und Qualität
Ein klares Bekenntnis zu Made in Europe setzt auch Lena Hoschek. Klickt man sich durch den Onlineshop der international erfolgreichen Modemacherin aus Graz, findet sich kein Kleidungsstück, das nicht in Europa gefertigt wurde; auch die Rohmaterialien stammen zum Großteil aus Europa.
„Dazu muss man aber anmerken, dass Italiener zwar Seide liefern, diese aber auch aus dem Fernen Osten kommt”, so Hoschek. Das sei per se aber kein Nachteil: „In China sowie Indien ist die Seidenkultur zu Hause. Indien ist zudem Spezialist für Stickereien und feine Arbeiten auf einem Handwerksniveau, das weltweit seinesgleichen sucht. Und es gibt mittlerweile auch immer mehr Bemühungen, um die sozialen Standards und Arbeitsbedingungen dort zu verbessern.”
Blick aufs globale Ganze
Reine Schwarz-Weiß-Malerei nach dem Motto „Europa top, Asien Flop” sei daher zu undifferenziert. Wesentlich ist, sämtliche Entscheidungen verantwortungsvoll und mit Blick auf deren globale Auswirkungen zu treffen. „Meiner Meinung nach sollten Großkonzerne diesbezüglich viel mehr in die Pflicht genommen werden – zum Beispiel indem sie einen Pflichtanteil ihrer Einnahmen in den Produktionsländern investieren, um die Infrastrukturen zu verbessern”, sagt sie und weist zudem auf die Verantwortung der Konsumenten hin. „Die Verbraucher sehen zwar die Medienberichte über die schlechten Arbeitsbedingungen in Asien, kaufen die Marken aber trotzdem, weil ihnen das eigenes Börserl viel wichtiger ist, als die Verantwortung, die sie global mittragen. Konsumenten sind die einzigen Akteure, die bestimmen, zu welchen Unternehmen das Geld geht.”
Wirtschaftsfaktor Ökologie
Die großen Modeakteure erkennen mittlerweile, dass künftig mehr Augenmerk auf ökologische und soziale Aspekte gelegt werden muss.
Der Report „Climate Change: Implications and Strategies for the Luxury Fashion Sector”, der Ende letzten Jahres vom Luxus-Konzern Kering und dem Unternehmensverband Business for Social Responsibility (BSR) veröffentlicht wurde, spricht eine ungewohnt klare Sprache: Den Klimawandel (weiter) zu ignorieren, ist schlecht für das Geschäft. Denn wie bei allen landwirtschaftlichen Produkten wirken sich Umweltschäden (etwa durch den Einsatz giftiger Chemikalien) sowie der Klimawandel negativ auf Qualität und Menge der für die Luxusfashion unverzichtbaren Rohmaterialien aus – explizit Vikunja- und Kaschmirwolle, Seide, Lamm- und Rindsleder sowie hochwertige Baumwolle. Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz sind daher unerlässlich für den künftigen wirtschaftliche Erfolg.
Lieferketten im Wandel
„Made in China” könnte aber auch aus anderen Gründen aus der Mode kommen. Das steigende Lohnniveau schafft zwar neue potenzielle Käufer für hochpreisige Mode, verteuert in Verbindung mit dem starken US-Dollar aber auch deren Produktion. „Die Kosten sind ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige”, sagt Jan Hallen, Head of Competence Center Retail Fashion der Unternehmensberatung Inverto, die kürzlich eine Analyse der Situation in den wichtigsten Beschaffungsländern der Textilindustrie veröffentlicht hat. „Neben den wirtschaftlichen Aspekten spielen bei der Standortwahl auch politische und soziale Rahmenbedingungen, die Ausbildung und Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Infrastruktur und Logistik eine Rolle.”
Europa im Fokus
Abwanderungstendenzen in Richtung Billiglohnländer wie Myanmar oder die Subsahara-Region seien zu erkennen, gleichzeitig wird aber auch Europa wieder attraktiver. „Die Textilfabriken in China sind auf große Mengen ausgelegt. In der Fashionindustrie zeigt sich – wie in vielen anderen Branchen auch – im Zuge der Individualisierung von Produkten der Trend zu höherer Variantenvielfalt bei gleichzeitig geringeren Einzelmengen”, erläutert Haller. Grob gesprochen heißt das: Je aufwendiger die Modelle, desto höher sind die Ansprüche an das fachliche Know-how, je variantenreicher das Sortiment, desto höher ist der Abstimmungsbedarf zwischen Designabteilung, Verkauf, Produktion und Logistik.
Wertewandel
Seide aus China, Wolle aus Lateinamerika, gewebt in Italien, designt in Deutschland, genäht in Asien, geschmückt mit Kristallen aus Tirol – angesichts der globalen Lieferketten ist der Informationsgehalt von „Made in China” oder „Made in Europe” ohnehin gering.
Nicht die Frage, wo etwas produziert, sondern vielmehr wie, gilt es für die Konsumenten zu stellen und für die Unternehmen – durchaus im eigenen Interesse – richtig zu beantworten.