••• Von Dinko Fejzuli und Laura Schott
Dank der Digitalisierung erfreuen sich auch die Angebote der österreichischen Radiosender in diesem Bereich einer zunehmender Beliebtheit: Über ein Drittel der Österreicher hören aktuell Radio übers Internet – mit steigender Tendenz. Das starke Wachstum im Webradio-Bereich bietet auch dem Privatradiovermarkter RMS Grund zur Freude, denn die Online Ad Impressions innerhalb seines Portfolios haben sich in den letzten 18 Monaten auf 20 Mio. verdoppelt – Grund genug für den Vermarkter, über neue digitale Möglichkeiten bei der Radiowerbung nachzudenken.
DMP-Lösung für Österreich
Die deutsche RMS-Mutter hat zu diesem Zweck eine eigene Audio Data Management Platform (DMP) entwickelt, die Österreich nun als zweites Land weltweit einführt – aktuell noch in der Beta-Version, ab kommendem Jahr als fixer Bestandteil der RMS Webradio-Vermarktung.
In die DMP fließen Daten aus unterschiedlichsten Quellen ein, und es wird eine sogenannte Listener ID erstellt, die eine genaue Zielgruppenansprache ermöglichen soll – ein Prinzip, das sich das digitale Marketing längst zunutze gemacht hat. Im Webradio-Bereich sind die Voraussetzungen dafür jedoch andere, erklärt Joachim Feher, Geschäftsführer von RMS Austria: „Extrem viel Audionutzung passiert online in einem HTML- freien Umfeld. Dort können keine Cookies gedropped und somit auch keine Nutzer identifiziert werden. Nur die RMS Listener ID macht Targeting auf allen Endgeräten möglich.”
Der Traffic, der sich in einem HTML-Umfeld abspielt, beschränke sich auf 20 bis 30% der gesamten online Audionutzung. Alles, was über Smart Speaker, WLAN-Radios und ähnliche Devices gehört wird, sei für herkömmliche Data Management- Plattformen nicht erfassbar. Für das Profiling bei RMS werden unterschiedlichste Datenquellen genutzt; das sind zunächst Bewegungsdaten auf den Websites der österreichischen Privatradiosender, dann kooperiert man mit emetriq, bei denen täglich 32 Mrd. Datenpunkte durchlaufen, und natürlich alles, das sich aus den bisher ausgespielten Online-Kampagnen – das sind 2019 immerhin bereits 82 Mio. Impressions – an Wissen generieren lässt. Für die Algorithmen zeichnen die Mathematiker von ISBA verantwortlich.
Das Resultat ist die sogenannte Listener ID oder das „intelligentere Cookie”, wie die RMS diese nennt. Als Kontrollinstrument für Strukturdaten dient außerdem der Radiotest. „Die Audio DMP der RMS kann somit Dinge, die nicht einmal Google kann”, sagt Feher.
Nun könne im Online-Radio nicht mehr nur auf Basis von Befragungen getargeted werden, sondern anhand tatsächlich gemessener Daten: „Die Nutzermerkmale reichen von klassischer Soziodemografie – also Alter, Geschlecht, Einkommen, et cetera – bis hin zu Profilen, die aus dem Displaymarkt bekannt sind: Etwa, ob jemand gern bäckt, oder wer sich gerade für einen Gebrauchtwagen interessiert. Wir werden sogar Pendler identifizieren können.”
Targeting trotz Adblocker
Abgesehen davon können auch jene Nutzer angesprochen werden, die einen Adblocker verwenden. Dieser greift im Radiostreaming nämlich nicht, da der Stream bereits inklusive Werbung beim Hörer ankommt und diese nicht wie etwa bei Bannerwerbung erst im Frame des Nutzers zusammengebaut wird.
Zielgruppen können auf Basis der neuen DMP also sehr viel spezifischer eingegrenzt und angesprochen werden. „Das Wichtigste beim Audience Building ist, dynamisch und tagesaktuell zu sein”, sagt Feher. Deshalb errechnet die DMP der RMS jede Nacht neue Profile, die dann tagesaktuell zur Verfügung stehen. So können Audiospots ausgespielt werden, die den jeweiligen Profilen beziehungsweise Listener IDs gerade am besten entsprechen.
Diese Dynamik sei notwendig, da auch die einzelnen Zielgruppen dynamisch seien, erklärt Feher: „Die User fallen ja auch wieder aus einer Zielgruppe heraus und sind dann für eine Zeit lang nicht mehr im Markt. Nichts ist schlimmer als Werbung, die einen verfolgt, wenn man das Produkt bereits gekauft hat.”
Über das kontinuierliche Onlinetracking soll das vermieden werden. Die Schwierigkeit dabei – wie in allen Bereichen der Onlinewerbung: Kunden, die online recherchieren und das Produkt anschließen offline kaufen, richtig zu tracken.
Die Dynamik der Zielgruppen spiegle sich auch in den Art und Weise, wie geworben wird, wider, erklärt Feher: „Es kann nun viel mehr Ongoing-Initiativen geben: Es kommt ja immer jemand neu in den Markt: Wenn ich für günstige Wochenendflüge werbe, dann ist das nicht etwas, wofür ich nur drei Wochen lang Interessenten finde, sondern das ganze Jahr über – es sind nur immer andere Nutzer, die ich ansprechen kann.” Mit den neuen Targeting-Möglichkeiten lohne sich diese Herangehensweise, da Hörerzielgruppen sehr spitz definiert werden können, ohne allzu große Streuverluste zu erleiden – was Radiowerbung auch für spezifischere Produkte interessanter mache.
Neue Möglichkeiten
„Die – wenn man so will – klassische Digitallogik hält nun auch in Audio Einzug”, sagt Feher. Dies mache digitale Radiowerbung auch für neue Kunden- und Agenturgruppen interessanter.
Die Möglichkeiten, die sich einerseits aus der steigenden Webradio-Nutzung und andererseits dem genaueren Targeting ergeben, haben nicht zu einer Verschiebung des Werbebudgets von UKW zu Webradio geführt, sondern zu einem Wachstum insgesamt, erklärt Feher. Und das habe einen guten Grund, denn die Hörer nutzen das Radio mehr und mehr konvergent. So wird etwa in der Früh zuhause auf einem herkömmlichen UKW-Empfangsgerät Radio gehört und auf dem Weg in die Arbeit in den Öffis über das Smartphone Webradio konsumiert. Um die maximale Reichweite zu erreichen, muss also sowohl über UKW als auch über Webradio geschaltet werden – was sich wiederum in der Werbewirkung niederschlägt, sagt Feher, denn einer Studie der RMS Deutschland zufolge haben konvergente Hörer deutlich bessere Werte in Werbewirkungsindikatoren wie etwa Kaufbereitschaft, Bekanntheit oder Erinnerung.
Neue Kontakte
„Über den klassischen Hörfunk bekommt man die Frequenz, über Webradio einen intensiveren Kontakt. Das bedeutet in Folge mehr Reichweite und eine bessere Werbewirkung.” Hauptgrund für die intensivere Wirkung von Webradio sei die Tatsache, dass dieses häufig über Kopfhörer konsumiert werde, wodurch sich eine intensivere Hörsituation ergebe. Radio ist dabei zwar immer noch ein „Nebenbeimedium”, dennoch ist der Hörer durch Earphones ein Stück weit mehr von der Umwelt abgeschirmt und konzentriert sich eher auf die Radioinhalte.
Ein im Radiobereich hochaktuelles und damit auch für die RMS relevantes Thema sind Smart Speaker – eine große Chance für den Audiovermarkter, denn Radiohören gehört zu den Top Drei-Tätigkeiten auf Alexa und Co.
Neue Potenziale
„Smart Speaker sind die E-Bikes des Radio”, sagt Feher. „Sie haben ein so traditionelles Produkt wieder cool gemacht, haben neue Nutzerschichten erschlossen und dafür gesorgt, dass die Menschen wieder länger und öfter Radio hören.” So verhalte es sich auch mit Smart Speakern: In Haushalten, in denen Smart Speaker genutzt werden, wird im Schnitt länger und öfter Radio gehört. Feher sieht in den Devices großes Potenzial: „Sprachsteuerung ist das einfachste Interface, das wir je hatten. Es ist generationenübergreifend, du musst keine großartige Technik erlernen und es funktioniert schnell und einfach.”
Trotz digitalisierungsbedingter Konkurrenz wie Spotify sieht Feher in der Digitalisierung keine Bedrohung, sondern eine riesige Chance für Radio und dessen Vermarktungsmöglichkeiten: „Die Digitalisierung ist kein furchterregendes Monster sondern eine Fee, die uns viele lang herbeigesehnte Wünsche erfüllt.”
Neue Verbreitungswege
Die Digitalisierung beschere dem Radio neue Verbreitungswege, deren Format sich jedoch nicht verändert. Anders, als in Print, wo man sich etwa Gedanken darüber machen muss, wie man eine Anzeige am besten ins Digitale überträgt. „Ein Audiospot ist ein Audiospot ist ein Audiospot”, sagt Feher plakativ.
Aus den neuen Möglichkeiten der Webradiovermarktung auf Basis der Audio DMP erwartet er sich deutlich mehr konvergente Buchungen und auch Auftraggeber aus neuen, bislang weniger radioaffinen Branchen, wie etwa Direct to Consumer Brands. „Mit der Data Management Platform und den Listener IDs erschließen wir den Audiopart des Onlinemarkts”, fasst Feher die Neuerungen bei der RMS zusammen.