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© Martina Berger

Redaktion 30.09.2022

„Brauchen Diskurs, auch über Unangenehmes”

Im Interview: Marco Pogo, bürgerlich Dominik Wlazny, ist Sänger, Arzt, Unternehmer – und Hofburgkandidat.

••• Von Georg Sander

WIEN. Dominik Wlazny ist besser unter seinem Künstlernamen Marco Pogo bekannt. Als solcher ist er Sänger der Band Turbobier, vertreibt das gleichnamige Bier und macht auch Politik. Was 2015 als Jux begann, wurde 2020 ernst: Die „Bierpartei” zog in Wiener Gemeinderäte ein. Nun will der Sänger Bundespräsident werden. Rund um den 36-Jährigen gab es viel Aufregung, weil er zu jung sei, sich nur vermarkten wolle und dergleichen. Im medianet-Interview klärt er dazu auf und nimmt zu diversen Themen rund um seine Kandidatur Stellung.

medianet: Herr Wlazny, wie kommt man als Rocksänger und (Bier-)Unternehmer auf die Idee, Bundespräsident zu werden?
Dominik Wlazny: Ich war schon immer ein politischer Mensch, wurde 2020 ein ‚richtiger Politiker', mit meinem Sitz im Bezirks­parlament in Simmering. Jetzt wollte ich mich noch mehr einbringen. Ich vermisse vor allem einen Diskurs.

medianet:
Zunächst: Wenn ein Universitätsprofessor oder Politiker Präsident werden will, wird niemand fragen, ob er deshalb mehr zitiert wird oder eine bessere Laufbahn will. Sie werden das gefragt. Verkaufen Sie mehr Bier?
Wlazny: Mit dieser Argumentation soll meine Kandidatur diskreditiert werden. Die Wahrheit ist: Hier im Büro stehen zwei Amadeus-Awards, meine Konzerte im Open-Air-Bereich der Arena (3.000 Plätze, Anm.) sind ausverkauft – als Punkrockmusiker. Es soll nicht überheblich klingen: Ich habe das nicht notwendig. Und ganz ehrlich: Selbst in meinem Genre ist es als Musiker gefährlich, sich politisch klar zu positionieren. Ich gefährde meine Karriere, denn der Coolness-Faktor, sich in TV-Debatten reinzusetzen und dort mitunter gegen Schwurbler zu argumentieren, hält sich in der Musikszene in Grenzen. Genauso ist es beim Bier. Ich würde sogar mehr Bier verkaufen, wenn ich die Zeit, die ich für die Kandidatur aufwende, in den Verkauf stecken würde. Das beste Marketing für Musik ist es wiederum, Musik zu machen.

medianet:
Aber verkaufen Sie seit dem Einstieg in die Politkarriere mehr?
Wlazny: Wenn, dann nur, weil ich tagtäglich daran arbeite. Es an einem Sitz im Simmeringer Bezirksparlament oder an einer Präsidentschaftskandidatur festzumachen, ist fast grotesk.

medianet
: Derzeit bekommt man das Bier bei Interspar österreichweit, Spar & Eurospar (W, NÖ, Bgld., OÖ, Anm.) sowie bei Edeka Deutschland – sind da weitere Listungen geplant?
Wlazny: (lacht) Ich habe leider derzeit zu wenig Zeit, mich um mein Herzensprojekt ‚Bier' zu kümmern. Ich sollte eigentlich auch ins Studio, ein Album ist schon fast fertig. Kurz gesagt: Ich habe keine Zeit, mich um meine anderen beiden Karrieren zu kümmern.

medianet: Sowohl als Produzent, als auch als Teil der Veranstaltungsbranche und eben auch als Politiker sind Sie von den aktuellen Teuerungen betroffen …
Wlazny: Ich bin wie alle anderen Menschen betroffen. Manches muss von den Unternehmern weitergegeben werden, aber man darf nicht vergessen, dass es um die Konsumenten geht. Wenn die sich nichts mehr leisten können, ist das für alle schlecht . Ich spüre es vor allem beim Transport – sowohl beim Biertransport als auch als Musiker auf Tour ist es ein Wahnsinn, was man an der Tankstelle zahlt. Teilweise haben sich die Preise vervierfacht. Gerade in der Veranstaltungsbranche explodieren jetzt in die Nachwehen von Corona hinein die Logistikkosten. 2022 war der erste halbwegs normale Sommer, alles lief parallel ab. Aber die Menschen sind ja nicht mehr geworden, können nicht alles besuchen. Die Veranstalter sagen teilweise ganze Touren ab, Menschen haben Angst davor, sich für Dezember ein Ticket zu kaufen, nur um es eventuell wieder zurückgeben zu müssen. Es sind unsichere und zache Zeiten.

medianet:
Die Weitergabe der Teuerungen muss ja auch mit Maß und Ziel gemacht werden, sei es beim Bier oder im Veranstaltungsbereich, oder?
Wlazny: Die Konzerttickets sind so wie alles teurer geworden. Aber das geht alles überall nur bis zu einem gewissen Grad.

medianet:
Muss sich die Eventbranche da überlegen, wie gespart werden kann? In Zeiten der Energiekrise ist das eigentlich ein Muss …
Wlazny: Natürlich. Das sind direkte Kosten, die anfallen. Wir transportieren beispielsweise weniger Licht. Früher hat man einfach einen zusätzlichen Lkw bestellt. Das geht heute nicht mehr.

medianet:
Der Präsident gilt auch als Richtschnur des Regierungshandelns, kann mahnen und mehr. Sind Sie mit der Performance der Regierung bezüglich der Maßnahmen gegen die Teuerungen zufrieden?
Wlazny: Was mir in diesem Land vor allem fehlt, ist eine echte Einbindung von Expertinnen und Experten. 2020 hat man gesehen, dass wir sehr helle Köpfe im Land haben. Mit Corona hat es aber begonnen, dass die Politik anscheinend mit Expertenmeinungen ein Problem hat, weil es vielleicht eben nicht in die politische Agenda passt. Wir hätten uns die Impfpflichtdebatte vermutlich erspart, wenn man im Sommer die Pandemie nicht für beendet erklärt hätte. Die Expertenmeinung war einhellig: Freunde, das ist nicht vorbei, wir werden im Herbst ein Problem kriegen. Wir wissen, dass nichts passiert ist, dann waren oberösterreichische Landtagswahlen und die Zahlen so hoch, dass sie dieses aus der Notsituation heraus schlecht gemachte Gesetz beschlossen haben. In Wahrheit haben wir das jetzt bei der Teuerung wieder – es passiert schon wieder lange Zeit nichts. Das Geld wird mit dem Katapult über die Bevölkerung geballert, und die Experten sagen: Das ist nicht sozial treffsicher.

medianet:
Gedankenexperiment: Sie sind gerade Präsident. Ihre Reaktion?
Wlazny: Wir müssen aktiv drüber reden, unter Einbeziehung von Experten. Genau das treibt mich an: Niemand redet über die Dinge. Ich habe natürlich inhaltlich Überschneidungen mit Alexander van der Bellen, z.B. beim Klimaschutz. Aber mir fehlt es, dass er die Regierung in die Pflicht nimmt, mit Experten rasche und nachhaltige Lösungen zu finden.

medianet:
Stichwort Nachhaltigkeit und Vorgehen der Regierung: Müssen wir uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft da vorangeht, wenn es die Politik nicht macht?
Wlazny: (denkt nach) Es gibt viele Unternehmen, die nachhaltig und intelligent agieren. Dabei geht es ja auch um Effizienz – wenn Öl eben teurer ist als Pellets. In Zeiten der Krisen wird sich auch zeigen, wer damit umgehen kann. Wir fahren auf eine Wand zu, und nicht wenige werden es nicht drüberschaffen. Ich habe mit intelligenten Menschen, die sich damit sehr gut auskennen, gesprochen. Sie meinen, dass sei eine gesunde Entwicklung. Vielleicht sollten wir das nicht in einer Wirtschaftszeitung sagen, aber ein Beispiel: Einen Bäcker, der sehr alte Maschinen hat, die viel zu viel Energie brauchen, und der nicht in effizientere Maschinen investiert, kann die öffentliche Hand nicht durchtragen. Vielleicht stehe ich als Wirtschaftstöter da, aber es ist so. Das braucht man auch gar nicht beschönigen. Ich bin ja selber Unternehmer, und die Republik hat tiefe Taschen, aber was kommt noch 2023 oder 2024? Jetzt komme ich retour zu Politik: Wir denken immer nur an den nächsten Wahltermin. Eigentlich sollten wir an 2040 denken.

medianet:
Was wir aber in der Klimakrise merken, ist, dass es einen Generationenkonflikt gibt. Boris Johnson kam mit vielem durch, Sanna Marin muss einen Drogentest machen.
Wlazny: Es ist oftmals weniger ein Generationskonflikt. Wenn Johnson eine Frau wäre, wäre es wohl anders gewesen.

medianet:
Aber die Älteren wählen oftmals konservativer. Was bieten Sie denen an?
Wlazny: Ich thematisiere etwa Altersarmut – vor allem bei Frauen, die um zwei Drittel mehr betroffen sind. Was ich anspreche, geht uns alle an. Keine meiner Forderungen habe ich entlang der Trennlinie jung/alt abgeklopft: Vollspaltenböden gehen die gesamte Gesellschaft etwas an; Frauen arbeiten jedes achte Jahr gratis; Betretungsverbote nach häuslicher Gewalt.

medianet:
Ist das auch eine Frage des medialen Umgangs? Manche Ihrer Themen – etwa Vollspaltenböden – wurden einmal ‚gut' verkauft und dann redet niemand drüber.
Wlazny: Wir brauchen einen guten gesamtgesellschaftlichen Diskurs, auch über unangenehme Themen. Österreich ist ein sehr privilegiertes Land, wir drücken uns aber vor gewissen Dingen. Ein Beispiel: Ich bin Pazifist, aber wir führen keine Sicherheitsdebatte. Manchen passt es ja gar nicht in die eigene Agenda, das überhaupt anzusprechen. Es wird bei uns so viel nicht geredet. Es ist goldrichtig, als Präsident zu kandidieren, weil das Wort des Amtsinhabers sehr schwer wiegt. Tagespolitik ist nicht seine Aufgabe, aber wenn etwas falsch rennt, muss man das offen ansprechen: Oida, schaut’s mal! Bei Korruption, der Infragestellung höchstgerichtlicher Entscheidungen, Equal Pay, das Abschieben eines gut integrierten Kindes – wenn so was passiert, muss man laut sein.

medianet:
Wie schwierig ist es, für Sie, zwischen den Rollen zu switchen?
Wlazny: Es ist intensiv, aber es geht, wenn man eine klare Linie zieht. Die, die sie nicht ziehen, sind vor allem die Medien und der politische Mitbewerb. Wenn ich für die Textzeile ‚A Fuaßboi-Plotz ohne Bier is’ wie a Heisl ohne Tia' angegriffen werde, macht mich das fassungslos. Ich kann auf der Bühne Marco Pogo sein und im TV-Studio als Dominik Wlazny über mein politisches Programm sprechen, mache auf der Bühne keine Politik und im Fernsehstudio keine Bierwerbung.

medianet: Sie werden auf Basis der Umfragen wohl nicht Präsident. Wie geht es mit Ihnen weiter?
Wlazny: Dann mache ich weiter wie bisher, mache Musik, Kabarett, designe T-Shirts, verkaufe Bier und schreibe vielleicht noch ein Buch oder mache mehr TV und bin weiter Bezirksrat. Oder ich arbeite im Krankenhaus.

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