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Redaktion 22.11.2024

Degenerative Strategien

Schwerpunkt Demenz – im ORF und in vielen österreichischen Haushalten. Ein Lamento.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

QUINTESSENZ. „Die wahren Abenteuer sind im Kopf”, sang André Heller. Wenn die Abenteuer im Kopf in die Realität hinüberschwappen, dann ist es in vielen Fällen eine neurodegenerative Erkrankung. In Österreich leben aktuellen Schätzungen zufolge ca. 130.000 bis 150.000 Menschen mit einer demenziellen Beeinträchtigung, bis 2050 wird sich diese Zahl verdoppeln, verrät der Österreichische Demenzbericht.

„Gut leben mit Demenz” ist der Titel der offiziellen Strategie des Gesundheits- und Sozialministeriums aus dem Jahr 2015, entwickelt „in einem laufenden Austausch mit Experten und anderen Entscheidungsträgern”, um „aufeinander abgestimmte Strukturen und Rahmenbedingungen für Menschen mit Demenz schaffen und weiterentwickeln zu können”. Das „Gut leben” scheitert auch zehn Jahre später krachend. Das liegt an vielen Faktoren, die sich gegenseitig verstärken – am Personalmangel in der Pflege, am Mangel an geeigneten Therapien, an fehlenden Therapiezentren, an fehlenden Plätzen in geeigneten Pflegeheimen und an der skurrilen Einstufung im Pflegegeldraster, die weiterhin stur auf körperliche Einschränkungen fokussiert. Der behördliche Spießrutenlauf, der staatlicher finanzieller Unterstützung vorausgeht, ergänzt durch den Mangel an geschulten Gutachtern, verstärkt den Druck auf die Angehörigen, die sich damit aufreiben. Und die bestehenden Angebote sind unübersichtlich und fragmentiert. Nicht zuletzt lässt auch die finanzielle Notlage der Gesundheitskasse alle Alarmglocken schrillen. Die ÖGK erwartet 2025 ein Defizit von bis zu 800 Mio. Euro. Bis zum Jahr 2028 sind weitere Verluste von über vier Mrd. Euro in der Vorschaurechnung eingepreist (siehe Seite 71 der heutigen Ausgabe).
Dazu kommt: Demenzdiagnosen sind immer noch ein Tabuthema. Wer bei sich selbst auf Früherkennung setzt, gefährdet Arbeitsplatz, Selbstwert und die Einbettung in das soziale Umfeld. Der ORF widmet der Volkskrankheit Demenz einen Themenschwerpunkt – das ist dringend notwendig und lobenswert.

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