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Redaktion 14.07.2023

Der Sturm auf die Genmaisfelder

„Österreich muss genfrei bleiben”, hieß es einst. Die Renaissance einer stählernen Abwehrhaltung.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

WIEDERKEHRENDES. Die EU-Kommission präsentierte am Mittwoch ihre Pläne für einen legereren Umgang mit (Neuer) Gentechnik in der Landwirtschaft. Ziel der Deregulierung ist unter anderem, gegen Wassermangel oder Schädlinge widerstandsfähigere Gewächse zu züchten. Kritik kommt aus Österreich. Die Pläne seien „inakzeptabel”, eine Gefahr für den österreichischen Weg der Landwirtschaft und eine Bedrohung der Wahlfreiheit der Konsumenten, sind sich die Regierungspartner einig wie selten. Das Thema ist mehrheitsfähig: „94 Prozent der Bevölkerung für Beibehaltung der Kennzeichnungspflicht”, titelt etwa eine Aussendung von Handelsverband & Global 2000.

Neu ist die Geschichte nicht. Schon 1996 ließ die geplante Aussetzung gentechnisch manipulierter Industriekartoffeln in Niederösterreich die Wogen hochgehen. 1997 unterzeichneten – unterstützt durch die volle Kampagnenkraft der Kronen Zeitung – über 1,2 Mio. Menschen in Österreich das Volksbegehren gegen den Einsatz von Gentechnik: „Kein Essen aus dem Genlabor!” Genmaisfelder wurden abgebrannt, und die sinnbefreite Bezeichnung „genfrei” feierte Premiere.

Doch: In jedem Waschmittel stecke Gentechnik, in der Lebensmittelherstellung benutze man gentechnisch produzierte Enzyme, Medikamente wie Insulin beruhten auf gentechnischen Verfahren, wundert sich auch Ortrun Mittelsten Scheid, Forscherin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, über den ausgeprägten Argwohn. Seit über 10.000 Jahren züchtet man Kulturpflanzen, in den vergangenen Jahrzehnten auch durch radioaktive Bestrahlung, um die Mutationsraten zu beschleunigen. Der elementarste Unterschied ist die Geschwindigkeit und Präzision moderner Verfahren. Als „grüner” gelten sie auch. Dennoch: Die Kombination aus Zurück zur Natur-Nostalgie, Wissenschaftsskepsis und Klimawandelnegation wird uns (auch) in Österreich noch eine Zeit lang beschäftigen. Fortsetzung folgt – wir lesen uns an dieser Stelle am 25. August wieder. Schönen Sommer!

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