MARKETING & MEDIA
Dinko Fejzuli 15.06.2018

Die Kurzstrecke als Selfies-Eldorado

Neuerdings posten Journalisten lieber Selfies mit Politikern im Flieger, als ihren Job zu erfüllen.

Kommentar ••• Von Dinko Fejzuli

FREMDSCHÄMEN. Was für ein Aufschrei ging durch die (Qualitäts)Medien, als die neue Regierung plötzlich mit Peter Launsky-Tieffenthal, einem Karrierediplomaten, einen sogenannten ­Regierungssprecher installierte.

Aristokratischer Digital-Bot

Der Tenor der Journalisten: Die Regierung schotte sich ab und verstecke sich hinter einem weisungsgebundenen Beamten, der Zugang der Medien zu den Politikern werde beschnitten und statt Antworten von den Verantwortlichen bekäme man in der Regel lediglich irgendwelche vorgefertigten Kommuniques vorgelesen.

Stimmt. All das ist auch eingetreten. Zudem wirkt der Regierungssprecher leider auch wie ein wenn auch zugegebenermaßen sehr aristokratischer digitaler Bot; frei von Fehl und Tadel, aber leider als Schnittstelle zwischen Politik und kritischen Journalisten aus meiner Sicht nicht die optimale Besetzung.
Die Hauptvorwurf aber war die Message-Control, die der Bundeskanzler offenbar als Kommunikations-Maxime ausgerufen hat und der sich bis hin zum Vizekanzler alle unterworfen haben.
Nur: Es liegt an den Medien und den dort arbeitenden Journalisten, sich dieser aufgezwungenen Kontrolle zu entziehen. Wenn dann statt etwa zu einem Polit-Event nur ein Regierungsfotograf zugelassen wird und am Ende in allen Zeitungen das exakt gleiche, weil einzig verfügbare, Bild veröffentlicht wird, einfach mal darüber nicht berichtet wird, würde das schon was bewirken.
Doch was passiert stattdessen? Seit der Bundeskanzler auf der Kurzstrecke (der Wortwitz ist ungewollt) nur mehr Economy fliegt, hyperventilieren selbst gestandene Politik-Journalisten, wenn sie – seit Wochen einem Fetisch gleich – Selfies mit dem Kanzler im Flieger machen dürfen, um sie dann in den Sozialen Medien zu veröffentlichen.
Und so gibt es dann statt kritischem Journalismus völlig distanzloses Gekreische und Geposte, wie von einem Groupie, der zufällig auf dem Flug in den Urlaub sein Idol trifft und für die Oma daheim ein Bild mit ihm machen darf.

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