••• Von Daniela Prugger
Zeitungen haben viele Jahre unser Leben bestimmt – sie wurden gelesen und geliebt, waren ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, ein politisches Bekenntnis. Doch in Europa und den USA verkaufen sie sich heute mitunter so schlecht, dass ihre Existenz bedroht ist. Dass wir Nachrichten brauchen, ist unbestritten. Genau deshalb ist es wichtig zu verstehen, was mit der Presse passiert. Lange schon sind Zeitungen nicht mehr von den Lesern und Kioskverkäufern abhängig; Zuschüsse und Förderungen von Mäzenen sichern ihr Überleben. Die Gründe für diese sogenannte Print-Krise sind universell – aber die goldenen Zeiten, als es nur wenige Zeitungen, ein Publikum und feste Arbeitszeiten gab, sind vorbei. Das Klackern der ersten Modems brachte den gesamten Journalismus auf neuen Kurs. Mittlerweile ist die einzige Konstante im Mediengeschäft der Wandel – ernüchternd ist es trotzdem, wenn sogar Vertreter der altehrwürdigen FAZ, so etwa Mathias Müller von Blumencron auf den diesjährigen Österreichischen Medientagen, konstatieren: „Meine Leidenschaft hängt nicht am Papier.” Brauchen wir Tageszeitungen überhaupt noch?
Unlösbare Gleichung
Allerdings: Weltweit ist das Gedruckte im Steigen; in Ländern wie Indien und China floriert das Geschäft mit Tageszeitungen regelrecht. Und in Lateinamerika nahmen die Werbeschaltungen in fünf Jahren (Stand: 2015) um 27,7% zu, in Europa sanken sie dagegen um 23,1% (Grafik). „Was wir bemerken, ist eine vielfache Differenzierung und ein Wachsen von Titeln am Markt”, erklärt Gerald Grünberger (VÖZ) mit Blick auf Österreich. Letztendlich sei das Schwinden von Printprodukten keine Frage der Plattform – es geht um die Frage des Journalismus. „Wir haben für Papier viel mehr Zeit als für digital – d.h. die Zeit für profunde Recherche: Check – Re-check – Double-Check.”
Hand in Hand mit der wachsenden Online-Konkurrenz und der vermeintlich abnehmenden Bereitschaft, für Nachrichten zu zahlen, geht der Irrglaube, das Ausdünnen von Redaktionen sei eine zielführende Einsparungsmaßnahme in Verlagen.
Konsens herrscht auf den Medientagen vor allem über eines: Es kommt auf den Content an – und die Gleichung, dass weniger Journalisten mehr und bessere journalistische Produkte erzeugen, geht schlichtweg nicht auf. „Je knapper die Ressource des Journalismus ist, desto höher ist die Fehlerquote”, ist auch Veit Dengler (NZZ) überzeugt. „Im Grunde durchleben wir die beste Zeit für den Journalismus”, meint Von Blumencron. Schließlich wachse mit der Macht des Internets auch das Gefühl der Unsicherheit der Konsumenten und damit das Bedürfnis nach Orientierung. Vielleicht verabschieden sich die Leser ja nicht vom Papier als Trägermedium, sondern vielmehr vom redaktionellen Konzept der Tageszeitungen. „Es gibt eigentlich kein effizienteres Medium als die Zeitung, sie eignet sich hervorragend als Browser: Beim Durchblättern wird keine Meldung übersehen, die einen nicht wirklich interessiert”, ist etwa Eugen Russ (Russmedia) überzeugt.
Leidenschaft für Content
Die Branche steht eindeutig einer Krise im Geschäftsmodell gegenüber. Diese betrifft nicht nur die Redaktionen, die sich auf digitale Arbeits- und (Denk)weisen einlassen müssen, „sondern auch die Verlage, die endlich lernen müssen, digital zu verkaufen”, weiß Von Blumencron. Eine zusätzliche Bezahlkomponente, klügere Geschäftsmodelle und besserer Content seien notwendig. „Wir haben die Aufgabe, in unseren Lesern die Leidenschaft für Wahrheit zu entfachen.” Wer das nicht schafft, wird auch als qualitativ hochwertiges Medium Probleme haben zu überleben.
Weil die Nähe zählt
Wie sich Zeitungen erfolgreich positionieren können, erklärt Teemu Henriksson vom Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA) gegenüber medianet: „In den fortschrittlichsten Märkten, vor allem den regionalen und lokalen, stabilisieren sich Printprodukte als ein wichtiges Element eines größeren Produktmixes. Viele erfolgreiche Printprodukte sind kleiner, Community- und Interessen-fokussiert und folgen den Bedürfnissen und Gewohnheiten von verschiedenen Zielgruppen.” Was die Presse in der Provinz auszeichnet, ist die Nähe zu den Lesern, das Gefühl der Identifikation.
Personalisiertes Weltbild
Trotzdem kann bei derart hohen Produktionskosten kein Verlag sorglos in die Zukunft blicken. Denn für die Zeitungen ist das Internet – wider anfänglicher Erwartungen – kein Eldorado: Es spitzt die Krise stetig zu. Laut dem Medienkonsumbericht von WAN-IFRA aus dem Jahr 2015 verbringen Konsumenten im Schnitt 2,2 Stunden pro Tag mit ihrem Mobile-Gerät, entweder Smartphone (97 Minuten) oder Tablet (37 Minuten), was zusammen 37% der Medienzeit ausmacht. Auf Print entfallen dagegen 33 Minuten. „Das Digitale wird dazu führen, dass alles noch mehr fluide wird und persönliche Medien komplett in den Alltag integriert werden”, prognostiziert Oliver Eckert (BurdaForward) im Rahmen eines Panels auf den diesjährigen Medientagen.
Dabei könnte diese viel propagierte personalisierte Zeitung der Zukunft aber auch als eine Reduktion von Lesern auf Grüppchen gewertet werden, die durch ihr Informations-Konsumverhalten lediglich die eigene bestehende Weltsicht zementieren. Liegt nicht im Anspruch, für ein breites Publikum – ja vielleicht sogar für alle – zu schreiben und zu berichten, die eigentliche demokratische Funktion von Tageszeitungen?