MARKETING & MEDIA
Redaktion 05.04.2024

Einer mit Hammer sieht überall Nägel

Die Reform des Medienprivilegs darf sich vom Zitierverbot lösen. Die Nachdenkpause ist gut.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

REPARATUREN. Gute Nachrichten für Investigativjournalisten kamen am Mittwoch dieser Woche: Die ÖVP zog sich von der Verzahnung des insbesondere von Verfassungsministerin Edtstadler geforderten „Zitierverbots” mit der Reform des Medienprivilegs zurück.

Im Prinzip ging es darum, dass auch Medien das Datenschutzgesetz nicht per Medienprivileg zur Gänze aushebeln dürfen. Das hatte der Verfassungsgerichtshof zu Recht bemängelt. Die DSGVO einzuhalten, hätte allerdings auch nicht funktioniert. Wie Investigativjournalismus funktionieren solle, „wenn der, gegen den recherchiert wird, Auskunft zur Recherche verlangen, dieser widersprechen und Löschung beantragen könnte?”, hatte es Nikolaus Forgó, Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Universität Wien, zusammengefasst. Das Zitierverbot wiederum hatte sein hässliches Haupt ursprünglich aus dem Sumpf der Chatprotokolle erhoben: WhatsApp-Blüten wie „Kriegst eh alles, was du willst”, „Ich liebe meinen Kanzler”, „Kurz kann jetzt Geld scheißen”, „Wer zahlt, schafft an” und „Hure der Reichen” hätte man sich gern erspart, auch in Zukunft. Und ja, der mediale Pranger war so hochfrequent belegt wie selten zuvor. Einige werden sich davon nicht mehr erholen.

Allerdings hatte die ÖVP-Version der Reparatur des Medienprivilegs – indem man ein generelles Zitierverbot im nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahren draufnagelte –, eine gefährliche Zielrichtung eingeschlagen. Sie hätte die Informations- und Meinungsfreiheit in unzumutbarer Weise beschnitten und das Aufdecken von Missständen grob behindert. Man denke an den Rattenschwanz an U-Ausschüssen und innenpolitischen Debatten als Folge der fingerfertigen Kommunikation des Kurz-Teams.

Bis Mitte 2024 muss das Medienprivileg jedenfalls neu geregelt werden. Es ist ein heikles Terrain. Die Medienfreiheit steht nicht nur hierzulande im Kreuzfeuer wirtschaftlicher, politischer und juristischer Zwänge. Und wer einen Hammer in der Hand hat, sieht irgendwann überall Nägel.

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