••• Von Georg Sander
WIEN. Elf Jahre lang war Birgit Schatz Abgeordnete zum Nationalrat für die Grünen, seit März steht sie auf der anderen Seite. Die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin bekleidet nun die neu geschaffene Stabsstelle Public Affairs bei SOS Kinderdorf und setzt sich für Rechte von Kindern und Jugendlichen in Not ein. „Ich kann meine langjährige Erfahrung für das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen einbringen”, erklärt sie im Gespräch.
Das gute Lobbying
SOS Kinderdorf betreut im Jahr an 14 verschiedenen Standorten rund 5.000 junge und jüngste Menschen, die sich in einer Notlage befinden. Schatz’ Arbeit ist für diese und alle anderen Kinder: „Das primäre Ziel ist es, die Interessen von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesetzgebung stärker zu verankern und dass ihre Rechte entsprechend der Kinderrechtskonvention berücksichtigt werden.” Österreich unterzeichnete die 1989 von der UNO verabschiedete Konvention bereits 1990, die Umsetzung bezeichnet die Ex-Politikerin als „teilweise schleppend”.
Das Wort Lobbying hat in Europa zudem keinen unbedingt positiven Touch. Schatz bezeichnet so manches als Parlamentsabgeordnete gemachte Erlebnis als „eigenartig”, aber „innerhalb Österreichs habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, weil es wirklich gute Grundlagenabteilungen in Interessensvertretungsorganisationen gibt. So sehe ich auch uns. Was wir sagen, ist belegbar.”
Die Stabsstelle für Public Affairs ist nah an der Geschäftsleitung angesiedelt, aber keiner Abteilung zugeordnet. So kann die Expertise, die für das Lobbying so wichtig ist, aus allen Abteilungen geholt werden.
Ein großer Vorteil ist dabei zunächst die breite Akzeptanz für die Arbeit von SOS Kinderdorf: „Wir sind eine anerkannte und seriöse Organisation. Man kann ja nicht als neuer Player herkommen und sagen, man sei hier der Experte.” Weiters ist es ein großer Vorteil, dass die neue Stabsstelle mit einer ehemaligen Politikerin besetzt ist: „Meine Erfahrung nützt dazu, handlungsfähig zu bleiben und sich nicht zu verrennen. Politische Prozesse sind langwierig. Man muss klare Ziele haben, aber man muss immer justieren, entlang der Realpolitik.” Die Themen kommen von den Kindern selbst, auch wenn diese auf den ersten Blick – Stichwort Internetkriminalität – wenig mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben: „Was Not ist, wollen wir nicht institutionell definieren. Das sagen sie.”
SOS Kinderdorf betreibt auch ‚Rat auf Draht'. Die Hotline führt jährlich rund 80.000 Beratungen durch. So erfahre man, worum es geht: „Das, zusammen mit unserer jahrzehntelangen Erfahrung, ist der Impuls für unsere politische Tätigkeit, die durch mich ausgeführt werden soll.”
Kommunikation
Schatz gilt über die Parteigrenzen hinweg als respektierte Sachpolitikerin. Sie pflegt zu den Parlamentsklubs, zu den entsprechenden Bereichssprechern und Ministerbüros gute Beziehungen. Die nächsten Monate werden jedoch herausfordernd.
Denn vieles, was die Regierung plant, hat direkt Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche: „Das fängt an mit den Verschärfungen in der Mindestsicherung und dem Zurückfahren integrationsfördernder Maßnahmen in den Schulen. Wir wissen, dass materielle Not den Druck in einer Familie erhöht, Schwierigkeiten schlechter ausbalanciert werden können und das ein Grund sein kann, warum die Kinder- und Jugendhilfe eingreifen muss.” Genau hier muss eine Interessensvertretung für die Schwächsten ansetzen. So herausfordernd das sein wird, mit Birgit Schatz haben sie eine starke Vertretung: „Ich brenne für diese Sache.”