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© Peter Rigaud

Norbert Kettner, Geschäftsführer WienTourismus

Redaktion 23.08.2024

„Ganz Wien war in einem Charmeoffensive-Modus“

WienTourismus-Chef Norbert Kettner über den PR-Trumpf für Wien nach der Taylor Swift-Absage.

••• Von Dinko Fejzuli

Gut 170.000 Fans, viele davon aus der ganzen Welt, sind nach Wien gepilgert, um Pop­ikone Taylor Swift im Ernst Happel Stadion live zu erleben – und dann wurden alle drei geplanten Konzerte wegen Anschlagsgefahr abgesagt.

Entsprechend enttäuscht waren die Fans. Weltweit wurde über die Wiener Absage berichtet und es drohte ein immenser Imageschaden.

Doch Wien hat diese potenzielle Krise beispielhaft als Chance genutzt, schnell reagiert und mit diversen Angeboten den Fans ein Wien auch ohne Taylor Swift schmackhaft gemacht.
medianet bat Norbert Kettner, Geschäftsführer des WienTourismus, um einige Antworten und Hintergründe, wie man einen drohenden PR-Supergau zu einem PR-Coup für Wien ummünzen konnte.

medianet: Herr Kettner, vor Kurzem mussten alle drei Taylor Swift-Konzerte in Wien wegen Anschlagsgefahr abgesagt werden. Rückblickend kann man sagen, dass Wien es geschafft hat, aus einem Worst Case-Szenario mit vielen aus dem Boden gestampften Angeboten für die enttäuschten Fans eine touristische Erfolgsstory zu schreiben, über die, und damit über Wien, weltweit positiv berichtet wurde. Kann man sich auf so eine Situation vorbereiten oder war das meiste davon spontan?
Norbert Kettner: Was als Desaster begann, entpuppte sich rasch als Image-Trumpf. Wien hat gezeigt, wie eine globale Metropole außergewöhnliche Umstände meistert. In der internationalen Kommunikation sind wir rasch vom Krisenmodus in die ‚Charme-Offensive‘ gewechselt, haben die Swifties einfühlsam abgeholt und die internationalen Kanäle mit positiven Botschaften bespielt.
Natürlich hatten wir Taylor Swift schon länger auf dem Radar, sie hat uns ja – im positiven Sinne – lange im Vorfeld beschäftigt.
Wien verzeichnete ja eine Buchungslage ähnlich wie zu Silvester, knapp an der Vollauslastung. Thematisch war also vieles vorbereitet, auch in Sachen Krisenkommunikation gibt es eine definierte Vorgangsweise im WienTourismus.
Die Partystimmung in der Stadt konnte man allerdings nicht planen. Das war schon ein Glücksfall. Die Welt wurde Zeuge davon, dass Wien auch bei der jungen Zielgruppe als moderne, progressive und lebenslustige Weltstadt wahrgenommen wird.

medianet: Können Sie uns beschreiben, wie es zu den ersten Ideen kam, wie man das Ganze quasi einfangen könnte?
Kettner: Die vielen Angebote und Trostpflaster für enttäuschte Swifties trugen dazu bei, dass eine Partystimmung in der Stadt entstand. Dafür danke ich allen Beteiligten in Wiens Visitor Economy, denn das war nichts, das man planen hätte können. Allerdings haben wir das in unserer globalen Kommunikation gezielt einsetzen können. Es war uns von Sekunde eins an ein Anliegen, die Reisenden, aber auch die Branche und unsere Stakeholder, mit Informationen zu versorgen und zugleich Wiens Reputation als eine der sichersten Städte der Welt zu schützen.

medianet: Was war die Trieb­feder der Museen, Freibäder und anderer Einrichtungen, hier mitzumachen?
Kettner: Trotz der Konzertabsagen ließen sich die Swifties in Wien nicht entmutigen und demonstrierten eindrucksvoll ihren Zusammenhalt. Das hat man in der ganzen Stadt wahrgenommen, man hat sich solidarisch gezeigt. Taylor Swift ist aber auch ein positiv konnotiertes, globales Phänomen und in kommerzieller Hinsicht ein großer Faktor, den man zu nutzen wusste.

medianet: Apropos Nutzen – auch wenn es noch quasi zu kurz für eine gründliche Analyse ist: Können Sie beschreiben, wie sehr und auf welchen Ebenen all das bereits jetzt ins Image der Stadt eingezahlt hat, etwa auf den digitalen Plattformen?
Kettner: Swifties haben einen Hype um Wien in der digitalen Welt ausgelöst. Die positive Resonanz der Fans war enorm, mit mehr als 3,5 Millionen Kontakten Reichweite und mittlerweile über 400.000 Likes plattformübergreifend auf unseren Social Media-Kanälen. Es gab in den ersten Tagen rund 90.000 Erwähnungen Wiens in der globalen Presse. Da es glücklicherweise auch zu keinem Anschlag oder Personenschaden gekommen ist, ist auch der Ruf der Stadt als lebenswerte Metropole und sicherer Ort für Großveranstaltungen intakt geblieben.

medianet: Die Fans sind, wie erwähnt, zum Teil vom anderen Ende der Welt für das Konzert nach Wien gekommen. Wie hoch schätzen Sie die Chance ein, dass sie ob der positiven Erfahrung auch ohne Taylor Swift wiederkommen?
Kettner: Rund die Hälfte aller Wien-Besucherinnen und -Besucher sind Wiederbesucher. Das kann man zwar nicht eins zu eins auf die Swifties umlegen, aber Wien hat definitiv seine Visitenkarte abgegeben und bleibt positiv in Erinnerung.

medianet: Wie wichtig sind solche Events generell, um Erstbesucher nach Wien zu ziehen?
Kettner: Großveranstaltungen zählen zu den Stärkefeldern unserer Destination. Wien liegt an der Spitze der weltweiten Kongressmetropolen. Großkongresse, aber auch Entertainment-Events wie die Konzerte von Taylor Swift und Coldplay, helfen, die Auslastung frühzeitig nach oben zu bringen und bringen der gesamten Visitor Economy etwas – von der Tourismuswirtschaft, über den Handel bis hin zu Verkehrsträgern beispielsweise.

medianet: Zu bemerken war auch, dass in einem gewissen Ausmaß auch die Wiener mitgemacht haben. So hat etwa ein Ehepaar mit einem Lautsprecher von seinem Fenster aus eine Straße voll mit Swifities mit Musik beschallt und so stundenlang für Unterhaltung gesorgt. Worauf führen Sie ein Involvement dieser Art zurück?
Kettner: Swifties gibt es in großer Zahl auch in Wien. Und viele weitere Wienerinnen und Wiener haben sich von der positiven Stimmung mitreißen lassen.

medianet: Eine persönliche Frage zum Schluss – was war Ihr Highlight unter den vielen Dingen, die angeboten wurden?
Kettner: Das war nicht eine einzelne Sache, das war die unerwartet große Bandbreite und Bereitschaft aller, hier mitzumachen. Der Zusammenhalt aller in der Stadt – von Swifties, Bevölkerung, Stadtverwaltung, Unternehmen und Institutionen – hat etwas Größeres geschaffen als die Summe der Einzelteile.
Wir alle haben gezeigt, wie Zusammenhalt funktioniert. Das macht mich stolz auf meine Stadt.

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