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© Journalistinnenkongress/APA-Fotoservice/Roßboth

„Eines der Grundübel ist die gschissene Bescheidenheit der Frauen”, zitierte etwa Kongressinitiatorin Maria Rauch-Kallat einen Beitrag am allerersten Journalistinnenkongress.

06.11.2015

Gegen die „gschissene Bescheidenheit der Frauen”

Diese Woche fand der bereits 17. Journalistinnenkongress in Wien statt. Einige Themen sind aber noch immer die gleichen.

WIEN. Die goldene „Medienlöwin” geht 2015 an ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner. Sie wurde diese Woche, am Vorabend des 17. Journalistinnenkongresses, für ihren „Einsatz und ihre Vorbildfunktion für Frauen in der Medienbranche” geehrt. Die „Medienlöwin” in Silber erhielt Karin Zauner von den Salzburger Nachrichten – für ihre Gabe, „immer wieder die feministische Brisanz zu destillieren”.

Zudem hat sich die Jury heuer entschieden, einen Sonderpreis zu vergeben: Ausgezeichnet wurde „dieStandard.at” mit der Serie „Große Töchter”, in der 50 Frauen, von Maria Restituta bis Elfriede Jelinek, porträtiert und somit auch in manchen Fällen „vor der drohenden Vergessenheit bewahrt” wurden. Künftig wird der Sonderpreis für Medien, nicht Personen, als „Medienlöwe” zur regulären Einrichtung und im nächsten Jahr auch offiziell ausgeschrieben, kündigte Rauch-Kallat an.

Rückschritt droht

Beim Journalistinnenkongress selbst orteten gleich mehrere Rednerinnen einen bevorstehenden „Backlash” sowie einen „Rückschritt” in Sachen Geschlechter­gerechtigkeit – und zwar nicht nur in den Medienredaktionen.

„Eines der Grundübel ist die g'schissene Bescheidenheit der Frauen”, zitierte etwa Kongress­initiatorin Maria Rauch-Kallat einen Beitrag am allerersten Journalistinnenkongress.
Sie habe immer davor gewarnt, dass die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte nicht für selbstverständlich gehalten werden dürften, so Rauch-Kallat. Nun sehe man etwa an der oberösterreichischen Landesregierung einen „unglaublichen Ausdruck” dieses Phänomens. „Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen”, betonte die ehemalige Ministerin.
Deshalb gelte es, nun besonders laut zu sein und Solidarität unter Frauen zu beweisen.

Frauenlose Landesregierung

In eine ähnliche Kerbe schlug ­Michaela Huber, Senior Vice President der OMV. Sie zeigte sich „fassungslos” über den Rückschritt, den eine Landesregierung ohne Frauen darstelle; es sei eine verpasste Chance und eine Schande für ein Bundesland, das so gern von Zukunftschancen spreche. Huber plädierte auch dafür, Fragen der Geschlechtergerechtigkeit ernst zu nehmen: „Es fängt beim Gendern an und hört auf Ihrem Gehaltszettel auf”, meinte sie. Sie vermisse derzeit vor allem die Solidarität unter Frauen.

„Qualitätsjournalismus kann nur stattfinden, wenn genügend Frauen in den Redaktionen und Führungspositionen sind, denn sonst ist er auf einem Auge blind”, erklärte auch Rebecca Beerheide, Vorsitzende des Journalistinnenbunds Deutschland.

Ewiges Thema: Familie & Beruf

Allerdings würden viele Journalistinnen immer noch mit Vereinbarkeit von Familie und Karriere und fehlenden Aufstiegschancen kämpfen. Eine Gegenstrategie seien Mentoring-Programme, in denen junge und ältere Journalistinnen gegenseitig Erfahrungen austauschen und voneinander profitieren könnten.

Auf eine „gute Mischung zwischen jungen und älteren Frauen” möchte auch Uschi Pöttler-Fellner, Chefredakteurin der Bundesländerinnen, setzen. Es brauche neue Rolemodels, zeigte sie sich überzeugt. Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, beklagte zwar, dass gerade bei Frauen Attraktivität – und damit Jugend – gern mit Leistungs­fähigkeit gleichgesetzt werde und ältere Frauen daher gern von den Fernsehschirmen verschwinden würden. Andererseits betonte sie auch, dass „Journalismus nichts mit Alter, sondern mit Handwerk zu tun hat. Wir sind der Wahrheit verpflichtet und haben einen gesellschaftlichen Auftrag und diesen Auftrag müssen wir wahrnehmen.”

Gemeinsame Medienerfahrung

Eigentlich beschäftigte sich der 17. Journalistinnenkongress unter dem Motto „WhatsApp, Oma?” mit der Mediennutzung der Generationen. Während sich unter den jungen Nutzern bis 19 Jahren viele inzwischen nur noch online informieren, sind es vor allem die über 70-Jährigen, die ausschließlich gedruckte Information konsumieren, wie APA-DeFacto-Geschäftsführerin Waltraud Wiedermann erklärte.

Problematisch sei das vor allem, wenn es um die integrierende Funktion von Medien gehe, meinte Medienforscherin Nicole Gonser. Zwar bleibe die Zeit des Medienkonsums über die Altersgruppen stabil. „Notwendig sind aber gemeinsame Medienerfahrungen”, so Gonser – und die gebe es immer weniger.
Mit der Verlagerung von klassischen zu sozialen Medien müssen sich aber nicht nur Verlage und Fernsehsender, sondern auch Unternehmen befassen. „Ein negatives Titelblatt der Kronen Zeitung bringt uns nicht mehr um, ein Shitstorm sehr wohl”, diagnostizierte etwa Kristin Hanusch-Linser, Unternehmenskommunikation- und Marketing-Verantwortliche bei den ÖBB. Die Flüchtlingskrise sei das erste Mal gewesen, dass Kommunikation vor allem zu Beginn ohne klassische Medien stattfand. Deshalb hätten auch die ÖBB verstärkt Social Media-Kanäle bespielt statt Pressekonferenzen abzuhalten: Für traditionelle Medien sei ein Pressesprecher zuständig gewesen, während rund 15 Leute Twitter, Facebook und Co. betreut hätten.

Keine Gatekeeper mehr

Hanusch-Linser ortete einen zunehmenden Verlust der Gatekeeper-Funktion von Journalisten, denn Unternehmen selbst würden immer mehr zu Produzenten von Inhalten. „Das Zauberwort heißt Contentmarketing. Wir sind dazu gezwungen, einen Newsroom aufzubauen. Wir entwickeln uns immer mehr zum Medienhaus”, schilderte ­Hanusch-Linser. Damit mache man Medien teils mehr Konkurrenz als andere Medien. (APA/red)

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