Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
KASSANDRARUFE. „Der Staat mit seinen Gesetzen ist, zugespitzt formuliert, die Verwirklichung meiner Freiheit und der eines jeden anderen und keine Einschränkung derselben”, sagt Innenminister Herbert Kickl im Interview mit Krone-Journalistin Conny Bischofberger. „In Sachen Pressefreiheit, neueste Kommunikationstechnologien, soziale Medien und Internetjournalismus ist die Türkei heute eines der führenden Länder der Welt”, sagt Präsident Recep Tayyip Erdogan anlässlich des türkischen „Tages der arbeitenden Journalisten”. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt”, schreibt Wittgenstein in seinem „Tractatus”. Man darf diese Aussage – hier postfaktisch angewandt – als durchaus prophetisch interpretieren.
Abgesehen von diesen rhetorischen Glanzpunkten ist auch im Neuen fast alles beim Alten. Fast. Die konservativistische Revolution, die im Gange ist, lässt sich einstweilen nur am Rumoren im Gebälk der alpenländischen Republik erahnen. Wiewohl selbst dieses Hintergrundrauschen schon von Jammer begleitet ist – seitens der Klientel des Juniorpartners in der neuen Regierung etwa; der vermeintlichen Klientel, dem viel zitierten kleinen Mann, der sich nicht gern in Parteiprogramme vertieft, wenn er sich stattdessen auch in zig Infotainment-Talkshows ein TV-Bild der wahlwerbenden Personen machen kann.
Im November des Vorjahres war an dieser Stelle („Stranger things have happened”) vom kalten Wind zu lesen, den der AMS-Chef mit seinen Ideen zum Ersatz der Notstandshilfe durch die Mindestsicherung übers Land blies. Und von den Frauen, die im #metoo-Gefecht nicht merkten, dass ihnen eine eben beschlossene – und dringend überfällige – Reform der zutiefst diskriminierenden Notstandshilfe eben wieder zu entgleiten drohte. Nun. Stimmt. So ist es gekommen. Da sind wir doch zumindest dankbar dafür, dass mit Oprah Winfrey die nächste milliardenschwere Unternehmerin politische Ambitionen – in diesem Fall als Kämpferin für die kleine Frau – entwickelt.