MARKETING & MEDIA
© Daniela Matejschek

Alexander Hauer

Redaktion 08.04.2022

In Bewegung bringen

Die Bedeutung und Wirkungsentfaltung des Marketings für die heimische Kultur- und Kunstszene in postpandemischen Zeiten.

Gastkommentar ••• Von Alexander Hauer

WIEN. Kulturschaffende und Kulturvermarktende stehen vor einer veritablen Herausforderung. Wir verstehen unser Tun als einen Schnittpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Nach beinahe zwei Jahren der pandemischen Unsicherheiten und einem spürbaren Generationswechsel der Besucher gibt es die einen, die sich nach dem Kulturleben sehnen, andere haben sich entwöhnt. So reicht es nicht mehr aus, ein Kulturplakat zur Ankündigung zu affichieren und sich über prallvolle Säle zu freuen.

Alte Währung des Marketing

Die Ursache für das spürbare Ausbleiben der Besucherströme einzig in der Pandemie zu suchen, wäre zu einfach und würde das Marketingproblem auch nicht annähernd im Kern treffen. Denn wir stecken mitten in einem völligen Umbruch der Freizeitgewohnheiten. Wir sind verwöhnt, alles und jedes Thema mittels Playtaste zu streamen. Waren unsere Terminkalender vor zwei Jahren oft übervoll, haben wir in Zeiten des Homeoffice nahezu verlernt, aufzubrechen, um an einen Ort zu gelangen, wo wir uns etwas ansehen.

Die alte Währung des Marketings war die Aufmerksamkeit, die neue ist die pure Emotion. Und damit wird Marketing zum Heimspiel für die Kultur – die Bühnen und das Theater sind die ursprünglichen Brutstätten der Emotion des Lebens: Liebe, Tod, Verrat, Sinnlichkeit, Missbrauch, Krieg und Frieden, totale Niederlage oder absoluter Sieg. All das findet seinen imposanten Niederschlag auf den Bühnen dieser Welt. Aber wir müssen es den Menschen wieder erzählen, sie begeistern. Kulturmarketing hat die Aufgabe, zu verführen, die Distanz zum Publikum zu pulverisieren, den einzelnen ins Zentrum des Geschehens zu setzen, noch lange bevor er oder sie im Saal selbst sitzt.
Wir leben von einer einfachen Geschichte: Das Theater kommt direkt zu dir, es berührt unmittelbar: Es atmet, es lebt, es riecht, findet direkt unter deinen Augen statt und mitunter spuckt es dir sogar ins Gesicht.
Aber es gibt noch einen wichtigen Aspekt, auf den wir im Kulturmarketing setzen: Bühnenstücke sind kein toter Stoff, sondern lebende Materie, die sich im Laufe der Jahrtausende immer wieder selbst auf die Welt bringen, allerdings dann in neuem Rahmen und anderen Darstellern in immer wieder gültigen Rollen.

Kraftvoll und direkt

Wenn wir demnächst „Nero – Er wollte doch nur spielen” auf die Bühne bringen, dann spielen wir natürlich eine historische Geschichte mit antiken Playern. Aber das Thema des Alleinherrschers und seiner absurden Handlungen ist heute traurigerweise aktuell wie eh und je. Und nun können wir, anhand einer Geschichte und eines Schicksals vor 2.000 Jahren aufzeigen, dass es im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder diesen Diktator-Typus gab.

Anfangs vollbrachten sie möglicherweise durchaus sinnvolle Taten, doch später veränderte sich Zug um Zug die Persönlichkeit, zuerst kaum sichtbar, dann deutlicher, bis es plötzlich zu spät war und das schier Unvorstellbare eintrat. Sie meinen, ich spreche von heute? Nein, das ist exakt die Geschichte von Nero. So treffen wir auch das Interesse der digitalen Natives und einer Generation mit einem neuen Bewusstsein um Verantwortung.
Diese Kraft, Direktheit und Naturgewalt einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen, ist die Aufgabe des Marketings.


Alexander Hauer ist Künstlerischer Leiter der Sommerspiele Melk.

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