MARKETING & MEDIA
© APA/TV Markìza/Martin Lachkovič

Redaktion 26.05.2023

„Leute schauen, wann sie wollen”

Matthias Settele ist als Medien-Manager international gefragt. Ein Talk im mediadome pressclub über Bewegtbild-Trends.

••• Von Chris Radda und Petra Stückler

Er gilt als „globaler TV-Sanierer”, ist CEO von TV Markiza – Slovakia, spol. s r.o. Die TV-Sender-Gruppe erreicht 98% aller slowakischen Haushalte und ist mit 33% Marktanteil gleichsam auch die größte TV-Sender-Gruppe im nordöstlichen Nachbarland.

Der weitgereiste Medienmanager Matthias Settele spricht im mediadome pressclub mit medianet-Herausgeber Chris Radda über seinen Werdegang und über Erfahrungen in den verschiedenen Ländern, aber auch über die rasanten Entwicklungen, Risiken und Chancen am Bewegtbildmarkt.
Matthias Settele war in über 20 Ländern tätig. Oftmals werde er gefragt, welches Land denn das beste sei. Seine Antwort: „Man kann dies nicht so einfach beantworten. Griechenland ist sicher wild, weil die Leute nicht so gern organisiert sind. Alles fließt.” Er erinnert sich an eine Wahlsendung, die vier Stunden ohne Ablauf gesendet wurde. Extra für ihn allein wurde ein Ablauf erstellt „als Potemkinsches Dorf”, wie er lächelnd schildert. Die ganze Sendung war „Free Flow Improvisation”. „Wenn das in Deutschland passiert, würden alle sterben, denn der Ablauf wird eingehalten auf die Sekunde”, schildert Settele schmunzelnd. „Jedes Land gibt dir was, nimmt dir was. Es ist toll, in London zu arbeiten, weil es kosmopolitisch ist, Schweden und Norwegen sind sehr reiche, sehr soziale Länder, wo man wirklich was lernen kann.”

Neue Ära mit Streaming

Welcher Job ihm am meisten Spaß gemacht hätte, beantwortet Settele so: „Der jetzige Job ist schon top, das erste Jahr war aber sehr schwierig. Wir mussten Leute entlassen, Sender schließen, wirklich alles umkrempeln. Jetzt ist mit dem Streaming-Zeitalter eine neue Ära angebrochen, und wir sind Teil davon und investieren in unsere Streaming-Plattform und in Fernsehen. Und es ist schon spannend, diese Entwicklung zu begleiten. Also der Job ist jetzt viel komplexer und komplett anders als vor zehn Jahren. Es ist interessant, dass sich doch in der kurzen Zeit so viel sich verändert hat.”

Als Settele zur Sendergruppe kam, war Time Warner der größte Aktionär, die Firma war noch an der Börse gelistet, allerdings war die Gruppe schon in großer Schieflage, und es war eine Sanierungsaufgabe. Doch heute sehe es ganz anders aus.
Settele schildert: „Grundsätzlich man muss mehr einnehmen, als man ausgibt. Also es ist schon darum gegangen, die Einnahmen zu steigern im Fernsehgeschäft. Wir sind aus der Antennenverbreitung ausgestiegen und sind ein reiner Pay TV-Sender Basic Cable, wo wir auch Gebühren von den Kabelgesellschaften und Plattformen bekommen. Wir sind im Streaminggeschäft, haben das Onlinegeschäft aufgebaut und wirklich viele Geschäftsfelder eröffnet.” Und so sei der Umsatz von 70 auf 120 Mio. € gestiegen. Am Beginn ging es um die Kosten, wie Settele betont, „aber am Ende geht es darum, dass man etwas gestaltet, dass man gute Programme macht, dass man verlässlicher Partner für die Werbewirtschaft ist und, und, und ….”

Erfolgtes Redesign

Man müsse gute Produkte bieten, die Kunden oder User überzeugen, und auch die Marke aufbauen. Und deswegen habe man letztes Jahr ein Redesign gemacht. Es sei heute eine Marke, die jeder kenne in dem Land.

Der Einstieg ins Streaming sei ein wichtiger Schritt gewesen, „Weil jetzt, ein, zwei Jahre später, ist es schon viel schwieriger, Disney ist in Osteuropa gestartet, Showtime ist auf dem Markt, Canal Plus hat Services, die lokale Konkurrenz hat jetzt auch Streaming gestartet.
Also plötzlich gibt es, glaube ich, acht Streaming-Plattformen in einem kleinen Land wie der Slowakei”, zeichnet Settele die Situation nach.
Es stelle sich die Frage, wie viele Abos sich ein durchschnittlicher Haushalt leisten könne. Zudem wirft er ein: „Aber wenn wir nicht mit der neuen Zeit gehen, dann geht die Zeit mit uns, und dann verliert das traditionelle Fernsehen irgendwann seinen Reiz.”
Settele beobachtet und attestiert: „Die Live-Nutzung geht ganz leicht zurück, und die Archivnutzung geht extrem rauf.” Dies passiere in England oder anderen westlichen Ländern schon seit einigen Jahren.
Diese Entwicklung habe jetzt auch uns erreicht. „In den ersten Wochen des neuen Jahres war es schon 30 bis 50 Prozent mehr zeitversetzte Nutzung. Die Leute schauen, wann sie wollen, wo sie wollen. Und wir haben selber dazu beigetragen, weil unser Streaming-Service auf dem Laptop, auf dem iPad, zu Hause geschaut werden kann und dort kann man alle Sendungen jederzeit werbefrei ansehen.” Dieser Trend gehe weiter.
„Aber wenn man alles zusammenrechnet – YouTube, Social Media, Online, Streaming und Fernsehen –, dann ist das Interesse größer denn je”, ist er sicher.
Die Frage sei, wer welche Vermarktung habe? Social Media und YouTube, da habe jemand anderer die Hand drauf. „Und wir kriegen nur einen kleinen Anteil. Im Fernsehgeschäft oder im Streaming haben wir die Hand drauf und entscheiden die Preisgestaltung selbst”, so Settele. Dies sei immer ein Wettbewerb um die Zeit und das Geld der Konsumenten und letztendlich um die Vermarktungsmöglichkeiten.


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medianet.tv
Redaktion TV: Willy Bauer

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