MARKETING & MEDIA
© ORF/Thomas Ramstorfer

Roland Weißmann

Redaktion 12.05.2023

Noch immer beliebt

Der Fernsehmarkt ist wegen der Streaming-Angebote in Bewegung. Österreichs Sender reagieren mit entsprechenden Angeboten.

••• Von Georg Sander

Heutzutage versammeln sich die Menschen seltener vor den TV-Endgeräten. Streaming-Angebote am Smart TV, das allgegenwärtige Mobiltelefon und Mediatheken eröffnen den Endnutzern ganz neue Möglichkeiten, im wahrsten Sinne des Wortes fern zu sehen. Während der Pandemie-Jahre gab es zudem weniger Außer-Haus-Aktivitäten und mehr Zuhause, Fernsehen spielte eine große Rolle. Wie sehen die großen Player die Entwicklungen am Markt?

Richtung Online

Was sagt ORF-Generaldirektor Roland Weißmann zur aktuellen Lage? „Jeden Tag nutzen knapp 6,5 Mio. Menschen den ORF. Allein das ORF-Fernsehen erreicht fast vier Millionen Zuseher pro Tag. Auf unserem Weg in die digitale Zukunft werden wir jünger, österreichischer und effizienter – damit sich jeder noch besser in den Programmen wiederfindet und von diesen stärker angesprochen fühlt. ”

ProSiebenSat.1 Puls 4-CEO Markus Breitenecker registriert ebenfalls mehr Streaming-Nutzung: „ Die lineare TV-Nutzung ist rückgängig, gegen andere Märkte spüren wir allerdings einen deutlich leichteren Rückgang in Österreich.” Erfreulich sei, dass die Streaming-Nutzung zunehme und „wie gehabt vorwiegend am großen TV-Bildschirm konsumiert wird. Das Entertainment- und Informations-Erlebnis bleibt daher am Big Screen.”
Ähnlich sieht es David Morgenbesser, Managing Director bei ServusTV. „Die Österreicher lieben das lineare Fernsehen nach wie vor, und das wird noch eine Zeit lang so bleiben”, erklärt er. „Parallel dazu steigt der Konsum von Video-Content, und es gibt ein immer breiteres Angebot auf allen Kanälen sowie für alle Zielgruppen. In Summe steigt die absolute Bewegtbildnutzung, verschiebt sich aber bzw. ist von einer zunehmenden Fragmentierung geprägt.”
Eine Herausforderung, wie Claudia Schabata-Ostermann von IP Österreich weiß: „Es wird für Werbetreibende zunehmend herausfordernder, ihre Zielgruppen zu erreichen. Gleichzeitig entstehen aber auch neue Chancen, um Endverbraucher über die verschiedenen Verbreitungswege, wie beispielsweise unserer VoD Plattform RTLplus, zu erreichen. Diese bieten ein zielgenaues Targeting.”
Auf den Punkt bringt es Marcin Kotlowski, Geschäftsführer bei W24: „Das Wichtigste aus unserer Sicht ist, möglichst relevant für das Publikum zu sein.”

Wie wichtig ist linear?

Das Fernsehen spielt immer noch eine Schlüsselrolle, sei es wie schon zu Pandemie-Zeiten durch topaktuelle Nachrichten, relevanten (regional-)Content oder wenn es um Live-Erlebnisse geht. „Insbesondere für Ereignisse wie Sportveranstaltungen, Nachrichten und Live-Events gibt es oft keine Alternative. Auch für diejenigen, die sich nicht mit der Technologie und der Bedienung von Streaming-Diensten auseinandersetzen wollen oder können, bleibt lineares TV oft die bevorzugte Option”, meint etwa Ostermann-Schabata.

Das sieht man auch bei W24 so: „Es ist für viele Österreicher immer noch eine Hauptquelle für Nachrichten und tagesaktuelle Informationen. Für ältere Zuschauer ist lineares Fernsehen oft die bevorzugte und vertraute Art, Fernsehinhalte zu konsumieren.”
ServusTV hat in den letzten Jahren wiederum in Eventrechte investiert, etwa Fußball oder Formel 1. Zwar werde die klassische Fernsehzielgruppe tendenziell älter, aber: „Bei den Jüngeren ist der Wandel im Nutzungsverhalten von linearem zu On Demand- und Streaming-Angeboten weit fortgeschritten.”
Breitenecker wiederum will sich nicht so auf den „Live-Gedanken” festmachen lassen. „Die unglaubliche Stärke von TV-Inhalten, egal ob linear, zeitversetzt, on Demand oder als Livestream genutzt, zeigt sich sowohl in der Gesamtbevölkerung, als auch bei der werberelevanten Zielgruppe der Unter-50-Jährigen, mit den größten Tagesreichweiten im Vergleich zu diversen Videoplattformen”, meint er, auch hinsichtlich einiger eigener Showformate bei der Sendergruppe. Klassisches Fernsehen sei somit nach wie vor die in.

Neue Messung

Auf die Branche kommen zudem Neuerungen zu, etwa eine neue Reichweitenmessung inklusive Streaming – für Ostermann-Schabata ein „wichtiger Schritt für den Werbemarkt, um ein umfassenderes Bild” zu erhalten. Morgenbesser ortet hierbei eine „wichtige Entwicklung”, nicht nur für den Werbemarkt, sondern auch hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit des Business. Breitenecker sieht mit dem Teletest 2.0 das „Beste aus zwei Welten” zusammengeführt – aus der HbbTV-Messung quasi ohne Schwankungen bzw. Nuller-Reichweiten in kleinen Zielgruppen. Für Kotlowski ebenfalls ein Gewinn, können so doch „Werbetreibende, Programmplaner und Sender bessere Entscheidungen treffen.” Noch eine Frage: Wie sehen die Privaten die Diskussionen rund um das öffentlich-rechtliche Fernsehen und ein neues ORF-Gesetz?

Öffentlich vs. privat?

Mit gemischten Gefühlen. Morgenbesser meint: „Wenn das ORF-Gesetz samt Digitalnovelle nach aktuellem Stand kommt, wäre das für den privaten Mediensektor fatal.” Er hofft auf Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb. Ähnlich sieht es Kotlowski: „Insgesamt sollten die gesetzlichen Vorgaben ein ausgewogenes und wettbewerbsfähiges Medienumfeld schaffen, in dem öffentlich-rechtliche wie private Sender ihren Beitrag zur Medienvielfalt leisten können.”

Ostermann-Schabata meint abschließend: „Ich erwarte, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Informationen für eine differenzierte Meinungsbildung spielen wird. Eine Lösung à la ‚alles für den ORF' würde zu einer drastischen Schieflage mit ungewissem Ausgang am Markt führen.”

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL