••• Von Sabine Bretschneider
WIEN. „Die Verknüpfung von Menschen, Daten und Kanälen bzw. neuen Endgeräten zu neuen Geschäftsmodellen” stellte Martin Eldracher, Senior Managing Partner Consulting für CEE beim IT-Dienstleister CSC, als taugliche Definition des sperrigen Begriffs „Digitalisierung” an den Anfang einer Diskussion zum Thema Nummer eins auf der Agenda der Wirtschaftstreibenden. „Digitale Agenda 2020 – Was Firmen scheitern lässt”, unter diesem Motto stand bei einem Pressegespräch am Mittwoch die Präsentation einer D-A-CH-Studie von CSC.
Gute Vorsätze allenthalben
Die Ergebnisse der ersten Befragungswelle zu diesem Thema war bereits im Oktober des Vorjahrs publiziert worden – damaliges Fazit: Für 68% der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hatte die digitale Transformation den Wettbewerb bereits verändert. Gut jede fünfte Firma rechnete als Folge bis 2020 mit einer neuen Marktlage – und die Planung, so hieß es damals, laufe auf Hochtouren.
Jetzt sind die Ergebnisse der zweiten Welle da (Juni 2016); laut dieser Analyse bejahen jetzt nur mehr 62% der Unternehmen, dass der digitale Wandel bereits den Wettbewerb beeinflusse, und es ist wieder ein Fünftel, das Auswirkungen dieser Transformation, allerdings schon für die nächsten zwölf Monate, antizipiert.
Österreich tickt langsamer
Die Lage in Österreich ist in manchen Teilaspekten eine andere: Hier sind es sogar 77%, die davon ausgehen, dass sich der Wettbewerb im Zuge der Digitalisierung bereits verändert hat. Jede zweite Firma in Österreich hat nach eigenen Angaben auch schon mit der Planung oder Umsetzung einer digitalen Agenda begonnen. Das ist lediglich ein Plus von rund fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr (2015: 42%), woraus man schließen kann, dass nicht aus allen ambitionierten Vorhaben inzwischen praktisch Handhabbares entstanden ist.
Dietmar Kotras, General Manager von CSC Österreich, Osteuropa und Türkei: „Insgesamt verlangsamt sich damit der Digitalisierungsprozess in Österreich, und das verwundert, denn international ist eine deutliche Beschleunigung zu verzeichnen; heimische Unternehmen drohen hier den Anschluss zu verlieren.”
Dabei sehen 55% der befragten österreichischen Unternehmen durch die Digitalisierung große Chancen bei der Kostensenkung, Steigerung der Qualität und Verbesserung der Kundenkenntnis. Interessanter Nebenaspekt: 20% der heimischen Unternehmen planen gar keine Maßnahmen im Rahmen einer Digitalen Agenda.
Handel als Sorgenkind
Größter Ausreißer innerhalb der Umfrage ist, hob Eldracher hervor, übrigens der Handel: Wiewohl Riesen wie etwa Amazon den Handel innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt haben, konstatieren hier nur 45% bereits erfolgte Veränderungen durch die Digitalisierung, wollen nur 30% die Vorteile digitaler Vertriebskanäle nutzen (Österreich gesamt: 44%), und auch nur 30% Kundenkenntnis und -beziehung verbessern (vs. 43% gesamt).
Größte Stolpersteine für die Umsetzung jedenfalls waren und sind zu wenig Fachkräfte, Finanzierungslücken und Mängel bei der Aus- und Weiterbildung. Viele Unternehmen stolpern bereits darüber, dass das Digitalisierungspotenzial im eigenen Hause nicht erkannt wird. Kotras: „Besonders die technische Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter erachten 42 Prozent der befragten heimischen Unternehmer als echten Stolperstein. Für 36 Prozent ist die Finanzierung der Umsetzung der digitalen Agenda eine schwer überwindbare Hürde.”
Völlig neue Berufsbilder
Die Digitalisierung macht den Wettbewerb härter, bringt aber neue Jobs, ist das Mantra der Arbeitsmarktexperten. Um dieses Potenzial jedoch auszunutzen, gibt es im Vorfeld noch viel zu erledigen.
Hier hakte Valerie Höllinger ein, Geschäftsführerin des Aus- und Weiterbildungsinstituts BFI Wien: Bis 2030, so Höllinger, schätze man den europaweiten Bedarf an Fachkräften mit IT-Kompetenzen auf ca. 50 Mio. – darunter fielen Berufsbilder wie etwa „Big Data Scientists, Cloud Computing-Experten, IT-Sicherheitstechniker, Robotikspezialisten oder auch Drohnenpiloten”, aber auch E-Mobility-Experten für den Bereich autonomes Fahren oder Social Network-Anwälte, „wie man am Beispiel Max Schrems gegen Facebook gesehen hat”.
Dafür brauche es aber auch „neue Lehrer”, die ebenfalls IT-Kompetenzen aufweisen. In Wahrheit beginne die einschlägige Herausbildung dieser Fähigkeiten „schon im Kindergarten”.
Bildung ist Teil der Infrastruktur
Hier spielt auch das Thema der Finanzierung von Aus- und Weiterbildungsaktivitäten eine große Rolle. Höllingers Forderung: Die Finanzierung von Weiterbildung müsse ausgebaut und gesichert werden – „derzeit trägt das AMS 20 Prozent der Gesamtkosten in diesem Bereich, hier ist es aber eigentlich schon zu spät, die Menschen sind schon arbeitslos …”
Andenken solle man jedenfalls Themen wie eine „Weiterbildungsversicherung” oder auch die Einbeziehung von Bildung in die „Infrastruktur” des Staats: „Traditionell zählen zur Infrastruktur eines Landes die Verkehrswege, Abfallwirtschaft, Wasserversorgung, aber auch Kommunikationseinrichtungen, etc. Ich denke, dass Bildung als Unterbau eines Wirtschaftsstandorts aber geradezu essenziell ist und daher ein Teil der ‚Breitbandmilliarde' in die Digitalkompetenz der Menschen investieren werden sollte.”
„Ein Schulterschluss”
Letztlich hingen Erfolge im Bereich der notwendigen Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen mit Konvergenz im Sinne interdisziplinärer Zusammenarbeit aller maßgeblichen Akteure zusammen. „Notwendig ist ein Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen zur Förderung der digitalen Kompetenz und der Kooperationskompetenz.”
Zu dieser Studie von CSC wurden 500 Unternehmensentscheider in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt; hier finden Sie „Digitale Agenda 2020-2016/06” zum Download: http://go.csc.com/LP=1614