MARKETING & MEDIA
© APA/Robert Jäger

Fritz Hausjell

Redaktion 26.04.2024

So wird unabhängiger Journalismus gestärkt

Der renommierte Medienhistoriker und stellvertretende Institutsvorstand für Publizistik an der Uni Wien, Fritz Hausjell, über notwendige Reformschritte.

Gastkommentar ••• Von Fritz Hausjell

WIEN. Dringend bedarf es der Start-up-Förderung für neue journalistische Medien. Denn die Speisekarte des Journalismus-Restaurants ist schon viel zu kurz geworden. Kürzlich wurden zwei Tageszeitungen aus dem Menu gestrichen. Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, Menschen mangels Angebotsvielfalt zum medialen Junkfood zu vertreiben. Das ist demokratiepolitisch jedenfalls ungesund.

Die zunehmende Angebotsdürre wirkt auf viele Bereiche negativ. Nicht nur die Bürger haben weniger Auswahl. Die Journalisten können nur mehr zwischen immer weniger Medienhäusern ihren Arbeitsplatz finden. Das sorgt strukturell für weniger Risikofreude und Mut. Zudem wird die gemeinsame Infrastruktur bedroht: Je weniger Genossenschafter und Medienkunden etwa die Austria Presseagentur hat, desto stärker sind Umfang und Unabhängigkeit des journalistisch geprüftem Nachrichtenstoffs, den die APA den meisten Medien liefert, gefährdet.

Neue Vertriebswege gesucht

Medien brauchen im Land – und am besten gleich in Europa – eine neue digitale Vertriebsstruktur. Denn wer seine teuer erarbeiteten Inhalte über die Social Media-Kanäle der Digitalgiganten zum Publikum bringt, hat keinen Cent Vertriebserlös und auch nichts von den dort immer stärker platzierten Werbekuchenstücken. Daher her mit neuen Genossenschaften, die attraktive digitale Vertriebswege entwickeln. Damit käme Werbegeld wieder zu den Journalismus-Produzenten. Clevere gemeinsame Abo-Systeme würden für zusätzliche Erlöse sorgen. Die Mediennutzer fänden sich zudem besser zurecht, weil dort eben nur journalistisch geprüfte Inhalte ausgespielt werden, und Werbung klar erkennbar gekennzeichnet wäre.

Die meisten Social Media-Kanäle liefern bekanntlich eine Suppe, in der alles gleichzeitig herumschwimmt: exzellente Häppchen Journalismus, bravouröse PR-Filets, Werbegemüse ohne Herkunftsbezeichnung und köstlich anmutende Fake News, die zumindest aufs Gemüt schlagen, manche bei Plebisziten verwählen oder falsche Kaufentscheidungen treffen lassen, von Betrügereien anderer Art einmal ganz abgesehen.

Medienkompetenz gefragt

Selbstverständlich ist auch viel mehr Anstrengung notwendig, um Menschen kompetent zu machen, souveräner bei der Wahl der für sie nützlichen Medien zu handeln. Nur, wer sollte diese Medienschläue vermitteln? Für die Jungen sind die Schulen zuständig, die bisher den enormen Strukturwandel der medial vermittelten Kommunikation ziemlich verschlafen haben.

Für die Erwachsenenwelt leisten Erwachsenenbildungseinrichtungen manches, aber deren Ressourcen und Reichweiten sind zu gering. Also sollten Medien dazu beitragen, dass mehr Menschen die Unterschiede zwischen journalistisch geprüften Inhalten und jenen Elementen, die ihnen sonst noch im Internet und den SM-Kanälen am Smartphone als „Medien” entgegenkommen, erkennen.

Stichwort ORF

Das öffentlich-rechtliche Großmedium ORF benötigt einen Auftrag, der ihn verpflichtet, sich zeitgemäß technologisch und medienformatmäßig so zu entwickeln, dass er den Programmauftrag für die gesamte Gesellschaft erbringen kann. Das ständige Feilschen mit Politik und privater Konkurrenz über digitale Verbote hat sich als Entwicklungsverhinderung für beide Seiten erwiesen. Lasst lieber durch Konkurrenz digitale Journalismusangebote erblühen.

Die Steuerungsgremien und das Spitzenmanagement des ORF müssen endlich aus der Regierungsdominanz befreit werden. Es ist ein offenkundiger demokratiepolitischer Konstruktionsfehler, wenn im Stiftungsrat mehr als 50% sich im türkisen „Freundeskreis” dirigieren lassen, obwohl gerade einmal 37,5% der Bevölkerung türkis gewählt hat. Ein verplichtender Nachweis von Kompetenzen der Stiftungsräte im Medienfeld oder im Gemeinwohlsektor sollten künftig zentrale Voraussetzung für derartige Vertreter sein. Das könnte die parteipolitische Bedeutung verringern.

Weniger Politik

Zudem würde das von der ÖVP forcierte journalistische Zitierverbot aus Akten den Journalismus selbstverständlich weiter schwächen. So wie die Regierungsinserate, die dank Scheinlösung weiter korruptionsanfällig vergeben werden können. Deshalb schadet dieses medienpolitische Versagen beiden auf Vertrauen aufbauenden Branchen, der Politik und den Medien. Strategisch notwendiger Unsinn (SNU) gehört der Regierungs-PR schlicht verboten, die überbordend ausgebauten Regierungs-PR-Stäbe limitiert, und die Polizei sollte dazu angehalten werden, künftig die gefahrlose Medienberichterstattung bei Demonstrationen überzeugender zu sichern.

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